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Von Rudolf Rath
Balve. Seit über 50 Jahren schon, nämlich seit 1969, muss Balve ohne eigenes Amtsgericht auskommen. Ein Jubiläum, das aber niemand gefeiert hat. Gerichtsangelegenheiten werden seitdem von den Amtsgerichten Menden und Arnsberg erledigt. Was die Landesregierung in Düsseldorf kurz zuvor beschlossen hatte, bedeutete das AUS für das örtliche Amtsgericht.

Begründung: „…Ebenso wie die allgemeinen Lebensverhältnisse differenzierter geworden sind, haben auch die gesetzlichen Regelungen einen komplizierteren und vielfältigeren Charakter gewonnen. Angesichts des breiten sachlichen Zuständigkeitsbereiches der Amtsgerichte zwingt diese Entwicklung dazu, auch dem Amtsrichter die Möglichkeit zu geben, sich auf bestimmte Sachgebiete zu spezialisieren…“ (Begründung zum Gesetz NRW-Landtag 1969).

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Vielfache Diskussionen und kritische Stellungnahmen auch aus Politik und Kultur konnten dies nicht verhindern. So verlagerten Beamte und Angestellte zwangsläufig ihre Arbeitsunterlagen zu laufenden Verfahren an ihre neuen Arbeitsplätze bei den Amtsgerichten in Menden und Arnsberg. Die Nachbargerichte sind seit dem 1. Juli jenes Jahres zuständigkeitshalber auch die Ziele der Menschen aus Balve und Sundern, wenn es um Strafgerichtsprozesse und Zivilgerichtsverfahren, um Notariats-, Testaments- und Vormundschaftsangelegenheiten oder um Grundbucheintragungen und Vereinsregistereintragungen geht. Nicht jeder wird die Fahrt dorthin leichten Herzens antreten – auf welchem Wege und in welcher Absicht auch immer. Und das hat nicht nur mit der Entfernung zu tun.

Zwar steht noch das letzte Amtsgerichtsgebäude an der Hönnetalstraße. Zwei Gefängniszellen erinnern mit ihren vergitterten Fenstern an frühere Zwangsunterbringungen, die allerdings in Balve immer nur von kurzer Dauer sein konnten. Kurzarreste, aber auch Ausnüchterungen waren da als Zwangsmittel nötig. Der Wachtmeister stellte die Beaufsichtigung und Verpflegung der Insassen sicher. Nach Schließung des Amtsgerichtes wurde es 1970 an Privat verkauft. Danach genoss man in diesem Gebäude als Gast freiwillige Aufenthalte in der Imbissstube bzw. später im „Antik-Café“, mit einer weitaus freundlicheren Bedienung.

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Stammbelegschaft nimmt Abschied von Balve. Erste Reihe rechts Amtsgerichtsrat Hans Gemke. Foto: Privat

Die Geschichte der Rechtsprechung, soweit sie uns vermittelt wurde (z. B. durch Josef Pütter im „Sauerländischen Grenzland im Wandel der Zeit“. Balve 1965) begann mit den Freigerichten, der Gerichtshoheit der jeweiligen Grafen im 14. Jahrhundert. In der neueren Zeit war das Rathaus bis 1832 Ort der Rechtsprechung. Danach folgten bis 1839 und dann wieder von 1879 bis 1884 die Gerichtsverfahren im Eckhaus „Alte Gerichtsstraße“/“Hoffmeisterstraße“ (heute im Eigentum Allhoff-Cramer). Eine Bronzetafel der Heimwacht Balve e.V. an der nördlichen Außenwand informiert: „Altes Gericht. Als Wohnhaus 1808 erbaut und als Gerichtsgebäude genutzt. Daher trägt diese Straße den Namen „Alte Gerichtsstraße“. Die Arresteinrichtungen sind im Haus erhalten.
1884 zog die Gerichtsverwaltung in das neue Amtsgerichtshaus an der Hönnetalstraße.“ Das Gebäude hatte die Gemeinde Balve für das Amtsgericht errichten lassen.

Hans Gemke (untere Reihe rechts) urteilte ab 1961 hier als letzter Amtsrichter. Von seinen Vorgängern erinnere ich mich an Amtsgerichtsrat Theodor Börger (bis 1957, dann im Ruhestand) sowie dessen Nachfolger Dr. Hermann Spindelmann (bis 1961, danach Amtsgerichtsdirektor in Arnsberg). Amtsgerichtsrat Gemke, später Amtsgerichtsdirektor, entschied in Menden über Verklagte in Zivilgerichtsverfahren bzw. Angeklagte in Strafgerichtsverfahren aus dem Amt Balve. Arrestzellen in Balve gab es nun nicht mehr, aber im Amtsgerichtsgebäude am Heimkerweg in Menden standen sie nun auch für verurteilte Balver zur Verfügung.

Längst haben sich die Gemüter beruhigt, hat man sich daran gewöhnt, zum für Balve zuständigen Amtsgericht in Menden längere Wege in Kauf nehmen zu müssen, zumal durch das verkehrstechnisch oftmals problematische Passieren des Hönnetals. Versöhnlich klingt da doch die Anmerkung zur überarbeiteten Auflage des Pütter-Buches (s. o. Balve 2005, S. 162): „Heute steht der Bevölkerung ein modernes Gerichtsgebäude mit gut ausgebildetem Personal mit digitaler Technik zur Verfügung. Das Gerichtsgebäude ist behindertengerecht, mit einer Aufzugsanlage und einer Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich ausgestattet. Alle Mitarbeiter bemühen sich um eine zügige und sachgerechte Erledigung der beim Amtsgericht zu bearbeitenden Geschäfte.“

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