Stadt Balve. Man merkt es Dr. Paul Stüeken und Dr. Martin Marsch an, dass sie mit Herzblut hinter ihrer Notarzt-Tätigkeit stehen, auch wenn sie es offiziell so nicht nennen dürfen. Seit dem 20. August vergangenen Jahres fährt in Balve der Medi-Pkw zu medizinischen Notfällen, gleichgültig ob internistisch, chirurgisch oder einem Verkehrsunfall. Immer dann, wenn ein Notarztfahrzeug gebraucht wird, aber in Werdohl, Plettenberg, Hemer oder Menden kein Notarzt zur Verfügung steht, wird einer der beiden Ärzte zum Notfall beordert. Allerdings, das ist der Nachteil, nur während der normalen Praxiszeiten, also tagsüber. „Lässt sich leider nicht anders machen, da wir beide nicht in Balve wohnen“, so Dr. Paul Stüeken. Vielleicht, so die Hoffnung, kommt in Zukunft jemand als Hausarzt nach Balve zurück und beteiligt sich.
Trotz der eingeschränkten Zeiten ist der Balver Notarzt bisher 35-mal in den vergangenen fünf Monaten in der Stadt gefahren. So ziemlich in jedem Ortsteil gab es Notfälle. Ein- bis zweimal, manchmal sogar dreimal, die Woche wird ein Arzt aus der Praxis von der Leitstelle in Lüdenscheid alarmiert. Oft ist dabei der Balver Notarzt der Ersteintreffende und beginnt sofort mit entsprechenden medizinischen Untersuchungen und Behandlungen.
Für die Praxis ist das eine nicht unbedeutende Mehrbelastung. „Wenn wir rausfahren, dauert es eine Stunde, manchmal auch mehr, wenn wir den Patienten im RTW ins Krankenhaus begleiten müssen“, so Dr. Paul Stüeken, Chef der Praxis am Drostenplatz, Facharzt für Allgemeinmedizin und Notarzt. Doch der Einsatz für die Menschen und die Hilfe, die sie ihnen bringen, macht den beiden Ärzten Freude. Dr. Martin Marsch: „Das ist das Salz in der Suppe!“
Oft kommt es auf die Minute an, wie hier bei diesem Unfall.
Ursprünglich war noch Svenja Gering, Fachärztin für Allgemeinmedizin und für Allgemeinchirurgie als Notärztin mit im Boot. Seit einiger Zeit ist sie in der Praxis-Zweigstelle in Wenholthausen tätig, fällt daher in Balve aus. „Sie hat definitiv einem Menschen das Leben gerettet“, erzählte Dr. Paul Stüeken weiter. Bei ihrem Einsatz mit dem Medi-Pkw begann sie sofort nach dem Eintreffen mit der Reanimation des Patienten, holte ihn zurück und begleitete ihn im RTW ins Hüstener Krankenhaus. Er überlebte. „Ohne ihren schnellen Einsatz hätte er nicht überlebt“, sind sich die Ärzte einig. Ein freudiges Ereignis – auch für einen Notarzt.
Inzwischen haben sie auch alle erforderlichen Notfallmittel an Bord, wie Defibrillator, Sauerstoff und Notfallgepäck. „Alles andere bringen die First Responder oder der RTW mit“, so Dr. Marsch, der im Moment hauptsächlich die Notarzteinsätze fährt. „Es ist schon eine Herausforderung nach einer Alarmierung – auf dem Weg zum Fahrzeug die Koordinaten eingeben, zur Leitstelle funken, mit Blaulicht und Martinshorn fahren und sich mental auf den bevorstehenden Einsatz vorzubereiten“, so der Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesiologie, Notfall- und Intensivmedizin, Palliativmedizin und Medizinethik.
Gerne hätten sie natürlich Verstärkung im Notfallbereich. Doch im Moment ist kein weiterer Mediziner in Balve in Sicht, der mit in das Projekt einsteigt, das in dieser Form einmalig in NRW ist. In Kierspe gibt es ein ähnliches, auch schon länger, aber nicht so intensiv. Es liegt sicherlich auch an den Hürden, die überwunden werden mussten. Denn auch das Fahrzeug, das offiziell vom DRK gestellt wird, darf nicht so bezeichnet werden, was es eigentlich ist: ein Notarztwagen. Es ist ein Medi-Pkw.
„Für Balve ist laut Rettungsdienstbedarfsplan kein Notarztwagen (NEF) vorgesehen, daher darf er auch nicht so heißen und auch Rettungsdienst darf auf dem Wagen nicht erscheinen“, so Dr. Martin Marsch. Vielleicht, so hofft man, wird sich da in weiterer Zukunft etwas ändern, da damit zu rechnen ist, dass das Werdohler NEF nicht mehr die Unterstützung vom dortigen Krankenhaus erhalten dürfte. „Da muss sich der Kreis etwas einfallen lassen“, sagt auch Dr. Paul Stüeken dazu. Sonst werde es in Balve auf Dauer schlimm.
Inzwischen greift die Kreisleitstelle immer häufiger auf die beiden Notärzte zurück, wenn es um Notfälle in der Stadt Balve geht. Da hat sich das inzwischen herumgesprochen. In Balve hingegen wissen viele noch gar nicht, dass es ein solches Fahrzeug gibt. Selbst bei der Feuerwehr sei der Medi-Pkw nicht bekannt. Das soll sich aber nun ändern. „Wir werden Termine bei der Feuerwehr machen und aufklären“, so die Notfallmediziner.
Auch ein Defi ist inzwischen im Fahrzeug vorhanden.
Und nicht nur Aufklärung gehört dazu, die sie in ihrer Freizeit betreiben, sondern auch die Fortbildung. Notärzte sind verpflichtet, eine gewisse Anzahl von Stunden im Jahr zu absolvieren. So waren die beiden gerade erst im Januar ein Wochenende beim 2. Arnsberger Notfallsymposium. Neben Wiederbelebung und Ultraschall im Notfalleinsatz gab es zwei Themen, die von der üblichen Fortbildung abwichen. Zum einen lehrte sie ein Bundespolizist in der Selbstverteidigung im Notfalleinsatz und eine Kollegin berichtete über Menschenrettung unter Gefechtsbedingungen in der Ukraine. „Das war interessant, ging einem aber auch nahe, da man Bilder sah, die man vorher noch nicht gesehen hat.“
Doch wie kam es denn eigentlich zu dieser Idee eines Notfalldienstes? Dr. Paul Stüeken: „Das gibt es ja schon lange. Wir sind dann vom Rettungswagen abgeholt worden und sind dann mitgefahren.“ Doch das erwies sich als nicht praktikabel, da eine Nachalarmierung nicht möglich war, wenn der RTW schon vor Ort war.
Ausschlaggebend war jedoch ein Unfall am Gesundheitscampus. „An dem Tag saßen alle Notärzte in Balve, damals fünf, zu einer Besprechung zusammen, während am Unfallort dringend einer gebraucht wurde. Schließlich kam ein NEF-Fahrzeug sehr spät dazu, da im weiter Umkreis alle im Einsatz waren. Für uns ein unmöglicher Zustand“, so Dr. Stüeken.
Von da an wurde das Projekt „Notarzt aus Balve für Balve“ vorangetrieben und mit dem DRK wurde ein entsprechender Partner gefunden. Gemeinsam wurden die Hürden der Bürokratie bewältigt, Spender und Unterstützer gefunden und schließlich ging das Projekt Ende August an den Start.
Zum Schluss appelliert Dr. Paul Stüeken noch einmal an die Balverinnen und Balver, im Notfall beherzt zu helfen. Es sei wichtiger, mit der Reanimation sofort zu beginnen, anstatt zu telefonieren. Das können andere machen. Man könne nichts falsch machen, außer, dass man nichts macht. Daher sei es auch wichtig, Erste-Hilfe-Lehrgänge zu besuchen und sich mit einem Defibrillator vertraut zu machen, die inzwischen an mehreren Stellen angebracht sind.
„Leider immer noch zu wenige“, sieht er da auch in Balve noch Bedarf. Zudem sind die meisten nicht frei zugänglich – ein großer Nachteil. Mehr zum Thema Defibrillator in Balve auf der Seite 14. kr