Balve. Nicht schlecht staunte Malermeister Alexander Rau, als er endlich mal die Zeit fand in seinem Haus am Husenberg in eigener Sache handwerklich tätig zu werden. Eine alte Trockenbauwand im Treppenhaus der sogenannten „Haarmannsburg“ sollte an jenem Tag ihr Ende finden.
Dass er bald etwas Interessantes über die Geburtsstunde jener Wand in Erfahrung bringen sollte, ahnte der 38-Jährige nicht, als er den Vorschlaghammer zur Hand nahm und die dünne Holzwand einschlug. „Zum Glück waren meine Mitarbeiter nicht ganz so rabiat wie ich, sonst hätten wir dieses Zeitzeugnis sicherlich versehentlich zerstört.“
Moment mal – Zeitzeugnis? Ganz recht, auf der Rückseite der Wand fand sich eine Inschrift aus alten – vielleicht besseren Zeiten. „Wer dieses entdeckt bekommt einen Kasten Bier von der Firma Betten, Wocklumer Hammer.“ Das mit Zimmermannsbleistift aufgetragene Graffito kam 65 Jahre nach seiner Entstehung wieder ans Tageslicht. Doch wer war der Verfasser dieses Schuldscheins? Auch das wurde ersichtlich. Niemand geringeres als Ehrenbrudermeister Konrad Betten hatte sich hier verewigt.
„Ich kann es nicht verleugnen, es ist meine Schrift“, erklärt der 80-Jährige augenzwinkernd, als Alex Rau an einem winterlichen Tag in Balve vor seiner Tür Am Hohlen Stein erscheint, um die über ein halbes Jahrhundert lastende Schuld einzutreiben. Damals war der heute rüstige Rentner gerade im ersten Lehrjahr im elterlichen Betrieb und dem Anschein nach zu
allerlei Flausen aufgelegt.
Die Ausbildung zum Schreiner war der Beginn einer langjährigen Laufbahn die 1975 mit der Verleihung des Meisterbriefs ihren Höhepunkt fand. Demnach steht 2025 ein weiteres Jubiläum nach dem 80. Geburtstag ins Haus, den Konrad Betten Ende letzten Jahres mit Freunden, Familie und vielen langjährigen Weggefährten feierte. In diesem Jahr kann er sich über die Verleihung des Goldenen Meisterbriefs freuen.
Das Bier war allerdings frisch!
Auf die Frage, wie viele Bierkästen wohl noch ausstünden, schmunzelt er. Als Geselle habe er im Krankenhaus mal Einbauschränke verbaut und mit einem ähnlichen Schriftzug versehen. Dieser kam aber bedingt durch einen Wasserschaden bereits nach einem halben Jahr wieder zu Tage. Die Maurer hätten sich den eingelösten Kasten dann schmecken lassen. So wie es dieses Mal auch Konrad Betten und Alex Rau in Bettens Wohnzimmer tun. „Ach, auch nach all den Jahren ist es doch immer wieder lecker.“
Die Bettens seien 1722 aus Siedlinghausen im Hochsauerlandkreis nach Balve gekommen. Er verweist auf einen massiven Wohnzimmerschrank, dessen linke Tür ein Schmied und die Jahreszahlen 1722 und 1865 zieren. Später habe man auf Stellmacher umfirmiert und dann Schlitten und Wagen gebaut, was letztlich in der Schreinerei mündete. Davon zeugt die andere Schranktür. Sie zeigt einen Schreiner und die Jahreszahlen 1865 und 1969. 1969 habe er den Schrank gebaut. Ob er auf der Rückseite auch eine Inschrift hinterlassen hat, verriet er uns nicht. Der Betrieb am Wocklumer Hammer bestand noch bis 2005. Zu ihrer Zeit waren Vater Albert und Bruder Albert auch dort beschäftigt.
Conrad Betten hat diese Schranktüren 1969 selbst gefertigt.
Die Familie Betten wohnte bis 1921 in Wocklum bevor sie ihren Lebensmittelpunkt in Balve fand. Konrad Betten dürfte den meisten Balvern als langjähriger Brudermeister der St.-Sebastian-Schützenbruderschaft Balve bekannt sein. Zum Ende seines Amtes bekam er 2008 die höchste Auszeichnung, die der Sauerländer Schützenbund kennt, verliehen: den „Orden für hervorragende Verdienste um das Schützenwesen“.
Einer seiner Lieblingssprüche dürfte auch noch vielen im Gedächtnis sein und hat an Aktualität keinen Deut eingebüßt: „Vertragt euch!“ DP
Titelfoto: Kaum noch zu lesen sind Konrad Bettens Worte. Jetzt löste er sein Versprechen ein und gab eine Kiste Bier dem Finder. Fotos. Daniel Pütz