Anzeige

Balve/Neuenrade. (R.E.) Städtische Realschule Balve. Die Aula abgedunkelt. CRASH KURS NRW – Realität erfahren. Die Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klasse sind mucksmäuschenstill. Nino Arra Opfer eines Pkw-Fahrers, der ihn bei einem Wendemanöver vom Motorrad rammte, sitzt vor der großen Bühne im Rollstuhl. Hinter ihm eine gelbe Nelke und eine flackernde Kerze als Symbol dafür, dass das Leben sehr schnell endlich ist. Oder nie mehr wieder so wird wie es vor einem Unfall einmal war. Emotionale Bilder, erschreckende Geschichten, eindringliche Musik – das war der Stoff, aus dem zeitgemäße Unfallprävention gemacht wurde und heute Morgen Einzug in die Köpfe der Schülerinnen und Schüler hielt.

Crash Kurs NRW ist vor neun Jahren an den Start gegangen. Bei den Veranstaltungen in Schulen stehen die Emotionen im Vordergrund. Ziel ist es, bei den jungen Teilnehmern ein realitätsnahes Gefahrenbewusstsein zu schaffen und eine dauerhafte, positive Verhaltensänderungen zu bewirken. Deshalb berichten Polizisten, Feuerwehrleute, Notfallseelsorger, Notärzte, Verkehrsunfallopfer oder deren Angehörige von ihren Erfahrungen. Sie erzählen, was sie erlebt und wie sie sich gefühlt haben und welche Belastungen durch einen Unfall entstehen können.

Anzeige

Die Akteure verdeutlichen aber auch schonungslos ihre eigenen Grenzen. Es wird vermittelt, dass Verkehrsunfälle in den meisten Fällen passieren, weil die Fahrer Regeln missachten. Das heißt auch, dass man etwas dagegen tun kann. Den Schülern wird vor Augen geführt, dass sie Verantwortung tragen, wenn sie sich im Straßenverkehr bewegen. Dies gilt nicht nur für den Fahrer, sondern auch für diejenigen, die sich zu ihm ins Auto setzen. Alle tragen Verantwortung für sich selbst und andere.

Crash Kurs NRW machte Schülerinnen und Schülern der Städtischen Realschule eindringlich klar, dass innerhalb weniger Sekunden alle Lebensträume zerplatzen können. Damit dies nicht geschieht, sollen die Jugendlichen aufgerüttelt werden und die Überzeugung verinnerlichen: Das Leben ist viel zu wertvoll, als das man es durch eine risikoreiche Fahrweise aufs Spiel setzen sollte. Weniger Jugendliche Verkehrsopfer sind der Erfolg, auf den Crash Kurs abzielt.

Anzeige

Zu diesem erhofften Erfolg trugen in der Realschule Balve die Polizeibeamten Andreas Filthaut und Claus Croce bei. Aber auch Matthias Lenze von der Polizeiwache in Werdohl. Er führte den jungen Leuten vor Augen, wie schnell das Leben vorbei sein kann und was es für einen Polizeibeamten bedeutet, den Eltern mitzuteilen, dass ihr Sohn nicht mehr nach Hause kommt, weil er bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist.

Dieser Unfall, der erste für ihn mit einem Toten, nahm Matthias Lenze zum Anlass, die Schülerinnen und Schüler davor zu warnen, sich alkoholisiert hinter das Steuer zu setzen. Dies hatte ein junger Mensch, der zuvor noch ausgelassenen auf dem Schützenfest in Neuenrade gefeiert hatte, getan. „Er hat seine Freunde noch nach Hause gefahren und ist dann auf der Kuschert tödlich verunglückt.“ Alkohol war die Ursache. „Das Schlimmste an diesem Unfall war das Überbringen der Nachricht an die Eltern, die am anderen Tag in den Urlaub fahren wollten. Das war sehr bedrückend, deshalb mein Rat: Lasst die Finger vom Alkohol, Drogen und Handy, wenn ihr mit einem Krad oder Auto unterwegs seid“, gab Matthias Lenze den jungen Leuten mit auf den Weg.

Als wenn diese Geschichte und die Schilderungen der Notfallseelsorgerin Iris Lemmer die Schülerinnen und Schüler nicht schon arg aufgewühlt hätten, sorgte Nino Arra mit seiner schonungslosen Lebensbilanz für geradezu atemloses Schweigen in der Aula. Mit seinem Schicksal schafft er es in die Herzen der jungen Leute. Der ehemalige Motorradfahrer, der durch einen unverschuldeten Unfall seit neun Jahren im Rollstuhl sitzt, bat die Schülerinnen und Schüler für einige Zeit die Augen zu schließen, um ihm zu lauschen.

Was der Iserlohner beim Blick in den Rückspiegel schilderte, das war krass. Er führte seinen Zuhörern nämlich nicht nur mit überaus klaren Worten vor Augen wie „scheiße“ das Leben im Rollstuhl ist, sondern auch den Verlust von Freunden. Die ständigen Schmerzen, die einen Menschen, der querschnittsgelähmt ist, jeden Tag peinigen, haben Nino Arra mehrfach in sich hinein horchen lassen und die Frage in sein Gehirn transportiert: „Warum tust Du Dir das eigentlich noch an?“

Die Antwort war sicherlich für den einen oder anderen überraschend: „Wir haben seit vier Jahren zwei Kinder. Dafür lebe ich weiter. Sie sollen in normalen Verhältnissen aufwachsen“, betont Nino Arra, der den Wunsch an die jungen Leute richtete: „Lasst die Unfallopfer nicht im Stich. Denn nur dann wird ihr Leben wieder normal.“

„Das war schon krass“, sagt der 16-jährige Eugen aus Balve. „Ich denke schon, dass ich vorsichtig fahren werde. Dazu trägt eine Veranstaltung wie diese bei. Sie kann helfen“, sagt der Realschüler, während er nachdenklich die Stühle im Foyer stapelt.

Ein positives Fazit zog auch der Polizeibeamte und Moderator der Veranstaltung, Andreas Filthaut, nachdem sich Schulleiterin Nina Fröhling (BILD) unter anderem bei den Referenten Matthias Lenze, Iris Lemmer, André Möller und Nino Arra bedankt hatte. Das hatten zuvor auch die Schülerinnen und Schüler mit ihrem kräftigen Beifall getan.

Anzeige