Balve. Die Rechtsanwältin und Notarin Agnes Watermann-Willeke (Foto) spricht mit der HÖNNE-ZEITUNG über das Thema Ehe und was es aus rechtlicher Sicht zu beachten gibt.
Im Frühling und Sommer haben Hochzeiten Hochkonjunktur. Der schönste Tag im Leben sprüht voller Romantik. Doch statistisch kommt es nach durchschnittlich 14,8 Jahren in 35,7 % der Fälle zur Ernüchterung. Was empfehlen Sie, um hier schon bei der Eheschließung vorzubeugen?
So unromantisch es klingt: Wer sich Gedanken über die rechtlichen Folgen der Ehe macht, sorgt im besten Sinne „für” seine Partnerschaft. Ein Ehevertrag kann helfen, faire Lösungen für schwierige Situationen im Voraus zu treffen. Gerade dann, wenn beide Seiten sich vertrauen, lassen sich klare und respektvolle Regelungen treffen – das ist weit sinnvoller als erst im Trennungsfall über Rechte und Pflichten zu streiten.
Ehevertrag klingt erstmal unromantisch, doch aus Sicht des Gesetzgebers ist die Ehe selbst ein Vertrag, der das Miteinander eines Paares regelt. Was sieht das Gesetz in Bezug auf Güterstand, Versorgungsausgleich et cetera im Normalfall vor? Was verbirgt sich hinter den Begriffen?
Im gesetzlichen „Normalfall“ leben Ehepartner im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das heißt: Was beide vor der Ehe hatten, bleibt getrennt – was während der Ehe an Vermögen hinzukommt, wird im Fall der Scheidung im Grundsatz, bis auf wenige Ausnahmen, hälftig aufgeteilt. Beim Versorgungsausgleich geht es um Rentenanwartschaften: Hier werden die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften hälftig aufgeteilt. Der Unterhalt regelt wiederum die finanzielle Unterstützung im Trennungs- und Scheidungsfall.
Welche Bereiche empfehlen Sie abseits der Norm gesondert zu regeln, um Streitigkeiten nach einer Trennung möglichst zu reduzieren?
Besonders ratsam sind Regelungen zu Unternehmensbeteiligungen, aber auch die Themen Schulden, Immobilien und individueller Vermögensaufbau können im Einzelfall durchaus regelungsbedürftig sein. Auch die Frage, wie lange Unterhalt gezahlt werden soll, kann man verbindlich und fair regeln – ebenso, wer im Fall einer Trennung in der gemeinsamen Wohnung bleibt.
In welchen Fällen ist es aus Ihrer Sicht besonders sinnvoll, einen Ehevertrag zu schließen?
Vor allem dann, wenn einer oder beide Partner:
– selbstständig oder unternehmerisch tätig sind,
– Kinder aus früheren Beziehungen haben,
– oder große Einkommensunterschiede bestehen.
In einigen Fällen ist dies auch sinnvoll, wenn die Ehepartner Immobilien besitzen oder erben werden.
Es gibt hier aber keine pauschale Regel. Es gilt immer, den Einzelfall zu prüfen.
Sinnvoll ist immer eine persönliche Beratung – ob bei der Gestaltung eines Ehevertrags oder in anderen rechtlichen Fragen. Eheleute sollten auch immer das Thema Testament und Vorsorgevollmacht beachten und ggf. regeln. Wer rechtzeitig plant, hat später den Kopf frei für die wirklich wichtigen Dinge.
Ist die Ehe bereits geschlossen, muss es trotzdem nicht zu spät sein. Eine Trennungsfolgevereinbarung kann auch während der Ehe geschlossen werden. Was hat es damit auf sich, wann empfiehlt sie sich?
Die sogenannte Trennungs- oder Scheidungsfolgenvereinbarung kommt ins Spiel, wenn die Ehe bereits gescheitert ist und Klarheit über bestimmte Punkte gewünscht ist – etwa zur Vermögensaufteilung oder zum Unterhalt. Auch hier kann die notarielle Beurkundung helfen, Streit zu vermeiden und die Scheidung geordnet abzuwickeln.
Zwischen angehenden Ehepartnern kann der Ehevertrag schnell zum Tabuthema werden. Wann ist aus Ihrer Sicht der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch, wie sollte man es gestalten?
Am besten frühzeitig und offen – bevor große gemeinsame Investitionen anstehen. Der Ton macht hier die Musik: Wer erklärt, dass man langfristig vorsorgen und Missverständnisse vermeiden möchte, zeigt Verantwortungsbewusstsein – kein Misstrauen.
Mit wie viel Vorlauf muss ich für die Ausgestaltung eines Ehevertrages rechnen? Was muss ich für ein Erstgespräch mit einem Anwalt oder Notar vorbereiten und was kommt an Kosten auf mich zu?
Ein bis zwei Monate vor der Hochzeit ist ein guter Zeitpunkt, insbesondere wenn beide Partner ihre Vermögensverhältnisse offenlegen und sich gemeinsam vorbereiten. Ein Ehevertrag muss aber nicht zwingend vor der Eheschließung geschlossen werden. Er kann auch noch nach der Eheschließung beurkundet werden. Die Kosten des Vertrages oder der Beratung richten sich nach dem Vermögen, auf dessen Grundlage sich die notarielle Gebühr berechnet.
Welche Aspekte muss ich bei einem Ehevertrag beachten, um diesen rechtssicher zu gestalten? Reicht ein formlos von beiden unterzeichnetes, selbst formuliertes DIN-A4-Blatt?
Nein – ein Ehevertrag muss notariell beurkundet werden, um wirksam zu sein. Eine eigenhändige Vereinbarung hat keine rechtliche Wirkung. Und ja – es kann sinnvoll sein, den Vertrag im Laufe der Ehe noch einmal anzusehen und ggf. an geänderte Bedingungen anzupassen.
Seit Juni 2017 lässt Deutschland die Eheschließung auch für gleichgeschlechtliche Paare zu. Gibt es hier in Bezug auf Eheverträge Besonderheiten zu beachten?
Nein – rechtlich gelten für alle Ehen dieselben Vorschriften. Die individuellen Lebensumstände können sich unterscheiden – und genau deshalb ist auch hier eine persönliche Beratung sinnvoll.
Wie bewerten Sie die Entwicklung – steigt die Zahl der Eheverträge im Verhältnis zu den Eheschließungen? Wie begründet sich das?
Ja, wir beobachten einen leichten Anstieg. Viele Paare gehen heute bewusster mit rechtlichen Fragen um. Das Bedürfnis nach Absicherung wächst – besonders bei Patchworkfamilien, Selbstständigen oder bei Auslandsbezug.
Eine letzte persönliche Frage zur Ehe: Alle Lieben dabei oder lieber Durchbrennen?
Am besten mit allen Lieben dabei – aber mit Plan B in der Tasche. Nicht jede Beziehung hält ein Leben lang. Wichtig ist, dass man in guten Zeiten klug vorsorgt damit man in schwierigen Zeiten nicht den Überblick verliert. Rechtlich sauber geregelt lässt sich auch ein Neuanfang gut gestalten – und wer weiß: Manchmal führt auch ein klarer Schlussstrich zu einem Happy End.
Die HÖNNE-ZEITUNG bedankt sich für das Gespräch.
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Das Interview führte Daniel Pütz per E-Mail.