Balve/Garbeck. Dass Mähdrescher und Rehkitze keine Freunde sind ist hinlänglich bekannt. Die natürliche Verteidigungsstrategie des Rehnachwuchses ist für die unnachgiebigen Maschinen nicht geeignet.
Das weibliche Reh, die Ricke, legt ihren niedlichen Spross im hohen Gras ab. Durch das gefleckte Fell hervorragend getarnt und praktisch geruchslos verharrt es dort, bis Mutter Reh nach der Äsung zum Säugen zurückkommt. Doch wenn es im Frühjahr dann zum ersten Grasschnitt kommt, ist es häufig zu spät und das Muttertier findet nur ein ausgemähtes Kitz vor.
Die gute Tarnung macht es dem Bauern auf dem Trecker oft schier unmöglich, das Kitz im hohen Gras frühzeitig zu entdecken und den Mähvorgang zu unterbrechen. Daher organisiert meist die Jägerschaft Kitzrettungsaktionen, bei denen vor den Schnittagen in aller Herrgottsfrühe die Wiesen abgesucht und die Kitze an sicherer Stelle abgesetzt werden.
Mit einem ganz besonderen Kurs machte nun die Fachhochschule Südwestfalen auf sich aufmerksam. „Save the Kids“ richtete sich an Schülerinnnen und Schüler der Klassen 7-13. „In diesem einzigartigen Kurs bieten wir euch die Gelegenheit, zu echten Lebensrettern für Rehkitze zu werden. Startet mit uns bei den Auftaktveranstaltungen in die Grundlagen des Drohnenfliegens und bereitet euch für Rettungsmissionen vor“, hieß es in der Ankündigung.
Diesem Aufruf folgte auch eine Gruppe Kinder aus Balve, die an mehreren Tagen den Kurs in Wemblinghausen und Umgebung besuchte. Im Zuge der Ausbildung zum „Kitzretter“ gab es zunächst Theorieunterricht, in dessen Rahmen die Kids Wissenswertes über die Wildbiologie der Rehe lernten. Angeleitet wurden sie hier von den FH-Rangern.
In ersten Praxisübungen wurden dann mit Wärmebildkameras ausgestattete Drohnen Flaschen aufgespürt, die mit warmen Wasser gefüllt waren. Das Tarnkleid der Kitze funktioniert nur optisch, daher machen sich die Kitzretter die Wärmebildtechnik zunutze, um den sich von der Umgebungstemperatur unterscheidenden Wildkörper im hohen Gras per Luftaufklärung aufzuspüren.

Als es dann ernst wurde, hieß es für die drei Balver Janosch Pamposch, Bastian Blume und Cajus Pütz „Früh aufstehen!“. Bereits um 4.30 Uhr musste man in Wemblinghausen sein, um das geplante Wiesenstück rechtzeitig abzufliegen. Der Stimmung in der elterlich organisierten Fahrgemeinschaft tat dies allerdings keinen Abbruch. Und obwohl man bei der Aktion, die vom örtlichen Hegering organisiert wurde, nur einen Hasen aufspüren konnte, hat sich der Tag für die Jungs gelohnt. Stolz zeigen sie ihren Ausweis „Kitzretter“.
Dass das Thema Kitzrettung nicht nur in der Bauern- und Jägerschaft Beachtung findet, zeigt auch eine Pressemitteilung des NRW-Landtagsabgeordneten Matthias Eggers. In Garbeck machte er sich gemeinsam mit einem Drohnenfliegerteam auf die Pirsch und konnte im Rahmen der Aktion mehrere Rehkitze retten.
Der CDU-Politiker hat lobende Worte für das ehrenamtlich ausgeführte Engagement: „Der Einsatz für das Leben der Tiere ist jedes frühe Aufstehen wert. Die Kombination aus Ehrenamt, moderner Technik und Landwirtschaft zeigt eindrucksvoll, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Das ist aktiver Tierschutz mit Vorbildfunktion. Wir konnten an diesem Morgen Rehkitze vor dem wahrscheinlich sicheren Tod bewahren“, lobte Eggers Stephan Honert und sein Team.
In diesem Zusammenhang freut er sich auch darüber, dass anscheinend auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Wichtigkeit dieses Dienstes an der heimischen Wildtier-Fauna erkannt hat. Die Drohnenförderung zur Wildtierrettung wird 2025 fortgeführt. Mit dem Förderprogramm können Vereine, Verbände und ehrenamtlich organisierte Initiativen bis zu 60 Prozent der Kosten für Drohnen mit Wärmebildtechnik erstattet bekommen, heißt es in der Pressemitteilung.
„Diese Förderung ist ein starkes Signal an alle, die sich ehrenamtlich engagieren“, so Eggers. „Sie hilft, die wertvolle Arbeit vor Ort zu erleichtern und weiter zu professionalisieren. Ich kann nur alle Jägerschaften und landwirtschaftlichen Betriebe im Märkischen Kreis ermutigen, wenn eine Drohne angeschafft werden soll“, appelliert der Abgeordnete an die Verantwortlichen.
In anschaulicher Weise zeigen beim Thema Kitzrettung alle Beteiligten, wie effektiv Projekte vorangetrieben werden können, wenn alle das gleiche Ziel vor Augen haben und dieses jenseits von Grabenkämpfen verfolgen. Politik macht sich für staatliche Mittel stark, die von der Regierung freigegeben werden und Ehrenamt unterstützen, die sich aus Passion und Engagement heraus dafür einsetzen, dass die gemeinsamen Ziele vor Ort umgesetzt werden und diese gleichzeitig im Rahmen der Jugendarbeit für die Zukunft sichern. DP


Titelfoto: Keinen Kontakt mit dem Menschen zu bekommen ist lebenswichtig für das junge Kitz.