Balve. In diesen Tagen feiert die Shell Tankstelle Schneider ihr 70-jähriges Bestehen. Grund genug für Inhaber Ralf Schneider Rückschau zu halten und die Leser der HÖNNE-ZEITUNG mit auf eine Zeitreise durch die Geschichte eines Balver Traditionsunternehmens zu nehmen.
Wie alles begann…
Unser Großvater Fritz Schneider wurde am 28.02.1906 in Fröndenberg geboren. Seine Eltern August und Augustine erzogen ihn zu einem fleißigen und, vor allem, ehrlichen Mann, der es schaffte, aus einem Nichts etwas Großes zu erschaffen.
Im Jahre 1939 begann der Krieg und Fritz wurde mit 33 Jahren eingezogen und nach Russland verschickt. Dort sollte er, mit vielen anderen jungen Männern, dem Vaterland dienen.
In der Zeit seines Einsatzes erkannte man, dass er ein großes Verständnis hatte für Motoren-Technik und Motoren-Bau. So setzte man ihn vornehmlich in der FZ-Instandhaltung ein und gleichzeitig musste er, seinen Erzählungen nach, die Vorgesetzten durch Frontgebiete fahren. Allerdings blieb auch ihm, wie vielen anderen auch, die Gefangenschaft nicht erspart.
Aber er hatte Glück. Als einer der Letzten schaffte er es noch auf ein Schiff, welches ihn in die Heimat zurückbrachte.
In Fröndenberg angekommen, stellte sich die Frage nach seiner Zukunft. Der Wunsch nach einer Selbstständigkeit im KFZ-Bereich war groß. Nach vielen Gesprächen mit den Eltern und Verwandten wagte er den Schritt und zog nach Balve. Hier fand er eine Unterkunft bei Familie Klüppel in der Hofstraße. Er schaffte sich ein Auto der Marke Adler an und gründete als seinen ersten Betrieb ein Taxi-Unternehmen.
Fritz schloss schnell Freundschaft mit der Betreiberfamilie Preuß vom „Haus Scheele“, auch als „Vatikan“ bekannt. Familie Preuss erklärte sich bereit, anzurufen, wenn ein Gast mit dem Taxi nach Hause wollte, und Fritz legte sich eine Telefonleitung bis dorthin. Dadurch konnte er sein Geschäft, welches anfangs schleppend anlief, ankurbeln.
Als der zweite Weltkrieg begann, zerlegte er sein Taxi und versteckte die Einzelteile auf Gödden Hof. Leider wurden diese gefunden und der Traum vom eigenen Taxi-Unternehmen war geplatzt.
Nach Kriegsende 1945 überlegte er erneut, wie es weitergehen sollte-Aufgeben war keine Option für ihn.
Mittlerweile verheiratet mit Lina und Vater von Horst und Wolfgang startete er ein neues Kapitel. Entschlossen, beim Aufbau des Landes zu helfen, kaufte er sich einen LKW und half, wo er nur konnte. Alsbald wurde in der Bogenstraße (Scheune von Falke) eine Scheune angemietet. Neben dem Fuhrunternehmen begann Fritz, nun auch Motorräder der Marke DKW zu reparieren und zu verkaufen.
Durch immer mehr Zuspruch der Balver Bevölkerung fing er im Jahr 1953 an, einen neuen Standort an der Hönnetalstraße aufzubauen. Auf dem Gartengelände der Familie Bierbaum entstand ein stattliches Wohnhaus mit Werkstatt und Pflegehalle sowie einer Tankstelle. Verträge mit Mineralölkonzernen wurden geführt und Shell bekam den Zuschlag.
1954 war es dann so weit. Die ersten Liter Kraftstoff wurden verkauft. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich insgesamt 7 Tankstellen an der Hönnetalstraße und im weitläufigen Umfeld. Durch den ungebrochenen Einsatz und Ehrgeiz unserer Großeltern und Eltern blieb dieser Standort, unsere Shell-Tankstelle, als einziger Standort erhalten.
Inzwischen verkaufte Fritz neben Zweirädern nun auch Kraftfahrzeuge der Marke DKW. Der Kundenkreis wuchs, und schon bald wurde das Gelände an der Hönnetalstraße zu klein. Es wurde Ausschau gehalten, und auf „Allhoff´s Gelände“ unweit der ehemaligen Ziegelei entstand ein großes Autohaus. Dieses wurde im Jahr 1960 fertig gestellt und es wurden von nun an Fahrzeuge der Marke „Ford“ verkauft.
Die Shell-Tankstelle an der Hönnetalstraße wurde ebenfalls weiterhin von Fritz, seinen beiden Söhnen und einigen Mitarbeitern betrieben. Allerdings wurde schon bald ein fester Tankwart, vielen vielleicht noch bekannt als „Reinecke Fuchs“, eingestellt. Zu seinen Aufgaben gehörte neben der Tankbedienung auch der Service “Rund ums Auto“. Die Kundschaft belohnte dies stets mit einem Lächeln und manchmal auch mit einem Trinkgeld.
Neben Kraftstoffen wurden an der Hönnetalstraße auch Zweiräder der Marken Kreidler/Herkules und Zündapp verkauft.
Luft prüfen, Ölkontrolle ist übrigens auch heute noch ein selbstverständlicher Service für uns.
Zum Jahreswechsel 1980/81 teilte unser Großvater sein Lebenswerk auf. Das Ford-Autohaus wurde auf Sohn Horst übertragen.
Mit Werkzeugkiste und emsigen Willen begab sich nun unser Vater Wolfgang in die Selbstständigkeit. Er trat die Übernahme der Tankstelle an, zusätzlich erweckte er die bis dato nicht mehr genutzte Werkstatt wieder zu neuem Leben. Eine Herausforderung für ihn und seine Frau Irmgard, hatte er doch bis zu seinem Austritt als Werkstattleiter fungiert. Aber wenn nicht er, wer dann sollte diese Herausforderung meistern? Jeden Tag eine warme Mahlzeit und alles, was zum Leben nötig war-dies hat er uns sechs Kindern jeden Tag geben können.
Unterstützung erfuhr er stets durch seine Eltern, welche bis ins hohe Alter immer hilfreich zur Seite und auch zur Kundenpflege an der Kasse standen.
Leider wurde diese Harmonie durch ein tragisches Unglück jäh beendet.
Am Dienstag, dem 18.11.1986 (dem Tag, vor dem damals noch gesetzlichen Feiertag „Buß- und Bettag“) wurde unsere Tankstelle in den späten Abendstunden überfallen. Dabei wurde unser Großvater auf brutale Art und Weise umgebracht, weil er sich geweigert hatte, sein hart verdientes Geld herauszugeben.
Leider wurde dieser brutale Mord bis heute nicht aufgeklärt!
Ungebrochen durch diese Tragödie, führten unsere Eltern die Tankstelle weiter, dies war nur durch die Unterstützung und Treue der Kunden möglich.
Ich befand mich mittlerweile in der Ausbildung zum KFZ-Mechaniker in einem auswärtigen Betrieb, die Autos lagen auch mir im Blut.
Nach Beendigung der Ausbildung wurde auch ich im Betrieb meines Vaters tätig. Im Jahre 1995 bestand ich meine Meisterprüfung als KFZ-Mechaniker und konnte somit noch mehr Unterstützung leisten.
Meine Schwester Heike trat ebenfalls in die Dienste unseres Vaters ein und unterstützt uns als Angestellte in der Tankstelle bis heute.
Zum Jahreswechsel 2001/2002 wurde ein weiterer Meilenstein gelegt. Meine Frau Marion und ich übernahmen die Tankstelle inkl. Werkstatt in dritter Generation. Unsere Tochter Anna-Lena war zu diesem Zeitpunkt schon fast 1 Jahr alt. Auch wir kamen glücklicherweise in den Genuss, weiterhin Unterstützung durch meine Eltern zu erfahren, um somit das Lebenswerk meiner Großeltern weiterzuführen. Bald schon wurde unser Sohn Paul geboren. Die Arbeit in der Werkstatt wurde zu sehends mehr und es war unumgänglich, im Jahre 2004 einen zusätzlichen Mitarbeiter für die Werkstatt einzustellen.
Mittlerweile arbeitet neben diesem „Altgesellen“ noch ein weiterer Geselle im Betrieb mit, diesen haben wir selbst ausgebildet.
Um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, mussten wir große Investitionen tätigen. Eine moderne Waschanlage nebst Waschpark wertete unser Waschangebot auf.
Weiterhin haben wir eine Prüf-/Diagnose-Halle gebaut, dort bieten wir mehrmals wöchentlich die Möglichkeit der Hauptuntersuchung an.
Über alledem dürfen wir nicht die Tankstelle vergessen-
70 Jahre Shell Tankstelle Schneider in Balve
Ein herzliches Dankeschön an alle Kunden
Vielen Dank für diese historische Aufarbeitung der Familiengeschichte! Ein wertvoller Beitrag zur Entwicklung des Handwerkes in unserer Stadt und damit ein sehr guter Beitrag zur Geschichte im 20. Jhd. unserer Stadt Balve.