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Balve/Neuenrade/Märkischer Kreis. Der Wolf beschäftigt die Menschen im Märkischen Kreis. Auch eine Arbeitsgruppe zur „Förderkulisse Märkisches Sauerland“ befasst sich intensiv mit dem aktuellen Thema. Der Märkische Kreis hat dazu Akteure in das Kreishaus Lüdenscheid eingeladen.

Die Rückkehr des Wolfes in den Märkischen Kreis hat zuletzt für viel Aufmerksamkeit gesorgt, auch in den Medien. Wie ist die aktuelle Situation im Märkischen Kreis? Welche Unterstützungsangebote gibt es für die Landwirtschaft? Welche besonderen regionalen Herausforderungen gibt es? Diese und weitere Fragen und Antworten beschäftigt eine Arbeitsgruppe zur „Förderkulisse Märkisches Sauerland“. Sie begleitet die Umsetzung der Förderkulisse und meldet eventuelle Handlungsbedarfe an das Land NRW.

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In Kraft gesetzt wurde die Förderkulisse vom Landesumweltministerium mit Wirkung zum 20. September dieses Jahres. In der ersten Sitzung im Kreishaus Lüdenscheid waren neben dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV), den Städten und Gemeinden auch mehrere Wolfsberater im Märkischen Kreis sowie Vertreterinnen und Vertreter der Forstverwaltung, der Landwirtschaft und der Unteren Jagdbehörde vertreten. Sie waren einer Meinung, dass das Thema Wolf ernst genommen und auf sachlicher Grundlage diskutiert werden muss.

„Der Wolf wird so intensiv beobachtet wie keine andere geschützte Tierart“, erklärte Dr. Matthias Kaiser vom LANUV und erläuterte, wie das Landesamt Hinweise zum Vorkommen von Wölfen überprüft. Er ging auch auf die Entwicklung der Wolfsausbreitung im Bundesgebiet ein. „In den ersten Jahren sprachen wir von einem exponentiellen Wachstum. Mittlerweile hat sich der Zuwachs jedoch abgeschwächt“, sagte Dr. Kaiser. Der Großteil der 184 Rudel ist nordöstlich von Hannover und Leipzig heimisch. In Nordrhein-Westfalen und im Süden Deutschlands finden sich bislang kaum Rudel. Im Märkischen Kreis gibt es aktuell ein Einzeltier mit der Kennung „GW2856f“. Bei dieser Wölfin geht das LANUV davon aus, dass sie seit April dieses Jahres ihr Territorium im Kreisgebiet genommen hat.

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Waldreichtum und attraktive Siedlungsstruktur

Aufgrund der Wolfsnachweise ergibt sich bisher ein Streifgebiet von Halver über Kierspe, Meinerzhagen, Lüdenscheid und Herscheid bis nach Plettenberg. Attraktiv für den Wolf macht das Gebiet laut Dr. Kaiser die Siedlungsstruktur, der Waldreichtum und die Verfügbarkeit natürlicher Beute, insbesondere Dam- und Rotwild. Da der Wolf jedoch nur einmal im Jahr paarungsbereit ist, müsste ein männliches Tier den richtigen Zeitpunkt abpassen. Dass die hiesige Wölfin 2024 Nachkommen hat, hält das LANUV vor diesem Hintergrund für wenig wahrscheinlich.

Vier bestätigte Nutztierrisse im Märkischen Kreis

„Es handelt sich hier um eine natürliche Rückkehr einer heimischen Art, keine gezielte Wiederansiedlung“, betonte Dr. Kaiser. Trotz der verstärkten Sichtungen habe es in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland keinerlei Hinweise auf aggressives Verhalten gegenüber Menschen gegeben. Die Wanderung der Wölfe erfolge sogar erstaunlich unbemerkt. Dr. Kaiser verdeutlichte dies am Beispiel der von Nordostdeutschland nach Belgien gewanderten Wölfin „Naya“, die unter anderem Fußgängerbrücken über Flüsse und Straßen genutzt haben muss, dabei aber nie jemandem aufgefallen ist. Eine Folge der Rückkehr ist allerdings die steigende Zahl von Nutztierrissen. Zwischen 2020 und heute gab es im Märkischen Kreis vier bestätigte Nutztierrisse, die dem Wolf eindeutig zugeordnet werden konnten. Die Förderkulisse ermögliche es nun, stärker die Herausforderungen in der Landwirtschaft in den Blick zu nehmen. Für solche Anträge ist die Landwirtschaftskammer zuständig.

Präventive Herdenschutzmaßnahmen

Dazu erläuterte Dr. Harald Lopotz, Geschäftsführer der Kreisstelle des Märkischen Kreises der Landwirtschaftskammer NRW, dass das Land bei nachgewiesenen Tierrissen an Nutz- und Haustieren durch den Wolf eine finanzielle Entschädigung für Tierverluste, Tierarztkosten und Medikamente gewährt.

Zum 20. September dieses Jahres wurde die „Förderkulisse Märkisches Sauerland“ sowie die umgebende „Pufferzone“ ausgewiesen. Nun ist es zudem möglich, dass für Schafe, Ziegen und Gehegewild auch präventive Herdenschutzmaßnahmen gefördert werden. Gefördert werden Elektrozäune und Zubehör. Auch Herdenschutzhunde, die eventuell bei größeren Schafherden zum Einsatz kommen, sind förderfähig. Eine Förderung wird für die Arbeitskosten oder Werkzeuge gewährt.

Dr. Lopotz wies darauf hin, dass Tierrisse bei Schafen, Ziegen und Gehegewild in der obigen Förderkulisse nach einer Übergangszeit von einem halben Jahr nach Bekanntgabe eines Wolfsgebiets nicht mehr entschädigt werden, wenn der Halter keinen entsprechenden Grundschutz – zum Beispiel ein mindestens 90 Zentimeter hohes, stromführendes Elektronetz – als präventive Maßnahme installiert hat. Allen Tierhaltern in der Förderkulisse – auch zum Beispiel Mutterkuhhaltern – steht die Herdenschutzberatung der Landwirtschaftskammer kostenfrei zur Verfügung ( herdenschutz@lwk.nrw.de ), um präventive Herdenschutzmaßnahmen zu planen und eine mögliche Antragstellung zu erleichtern.

Regionale Besonderheiten

Die Untere Naturschutzbehörde des Märkischen Kreises wies auf die praktischen Beschränkungen hin, die im Märkischen Kreis die Erfolgschancen präventiver Maßnahmen reduzieren. Die bisherigen Förderbedingungen beruhen auf Erfahrungen in anderen Landschaftsräumen. Im Flachland lassen sich Zäune deutlich einfacher setzen. Die Vielzahl kleinerer, durch Wälder unterbrochener Weideflächen, macht den Einsatz von Herdenschutzhunden im Sauerland meist nicht wirtschaftlich möglich. Ohnehin gehe der Schwerpunkt der finanziellen Förderung auf Schafe, Ziegen und Gehege-Wild an den Bedürfnissen der heimischen Landwirtschaft vorbei. „Auch im Interesse des Grünlanderhalts muss das Land bei seiner Förderung diesen regionalen Besonderheiten stärker Rechnung tragen und der Rinder- und Pferdehaltung die gleiche finanzielle Unterstützung ermöglichen“, formulierte Dr. Johannes Osing, Fachdienstleiter Umwelt beim Märkischen Kreis, den Appell, der über die Arbeitsgruppe an das Land gehen wird.

Abschuss nur im Ausnahmefall und unter strengen Voraussetzungen

Herdenschutzmaßnahmen sind zunächst das nach geltendem Recht vorgesehene Mittel der Wahl. Ein Abschuss wäre nach dem Bundesnaturschutzgesetz nur im Ausnahmefall und unter strengen Voraussetzungen möglich. Dazu gehört insbesondere, dass zuvor zumutbare Herdenschutzmaßnahmen ergriffen worden sind. „Stattdessen sofort nach dem Abschuss zu rufen, hilft hier nicht weiter“, sagte Dr. Osing. Dem schloss sich Dr. Kaiser ausdrücklich an. Vergleiche zwischen Schweden und Norwegen legten nahe, dass ein präventiver Herdenschutz in der Summe erfolgreicher sei als die freie Weidetierhaltung bei gleichzeitiger Bejagung des Wolfes. Andere rechtliche Voraussetzungen gelten in Fällen, in denen ein Tier ein auffälliges Verhalten zeigt – etwa, wenn sich der Wolf unter 30 Metern Abstand zu von Menschen genutzten Gebäuden aufhält und sich auch nicht verscheuchen lässt. Die Erteilung einer Ausnahme vom Tötungsverbot erfordert eine sorgfältige Prüfung der Ausnahmevoraussetzungen durch die zuständigen Behörden unter Beteiligung des LANUV und der obersten Naturschutzbehörde beim Umweltministerium NRW.

Die Untere Naturschutzbehörde wird im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms die Beratung für die Landwirtschaft ausweiten. Auch das Netzwerk der Wolfsberaterinnen und -berater im Kreis wird erweitert. Als Ansprechpartnerin zum Thema Wolf steht Caroline Bendrien (Tel. 02351 966 6396) zur Verfügung. Zudem bittet der Märkische Kreis darum, Fotos oder Videos von Wolfssichtungen zeitnah zu übermitteln. Auch die Jägerschaft wird gebeten, ihre Informationen zu teilen. Die Untere Naturschutzbehörde wird Infos an das LANUV weiterleiten. Das LANUV kann anhand der bundesweit einheitlichen Methoden insbesondere auch die Abgrenzung zu Wolfshunden treffen. Es ist wichtig, direkt vor Ort eine sichere Faktenlage zu erfassen. Hierbei können alle Betroffenen helfen. Je vollständiger das Bild wird, desto effektiver kann über die erforderlichen Maßnahmen nachgedacht werden.

Jeder Nutztierriss, der möglicherweise durch einen Wolf verursacht wurde, sollte möglichst zeitnah an das Landesumweltamt (LANUV NRW), das dafür zuständig ist, gemeldet werden.

Das Landesumweltamt ist auch außerhalb der Geschäftszeiten und am Wochenende erreichbar: Telefon 0201 714 488 und per Mail: wolf_nrw@lanuv.nrw.de .

Ansprechpartnerin für Fördermaßnahmen bei der Herdenschutzberatung der Landwirtschaftskammer: Bärbel Ruchay, Telefon: 02303 961 6158.

Informationen zum Wolfsmanagement und zu Wolfsmeldungen: https://wolf.nrw.de/

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