Balve. Auch in diesem Jahr erinnert die Heimwacht Balve an die Reichsprogromnacht vom 9. November 1938 durch das Aufstellen von Kerzen an den Grabsteinen des jüdischen Friedhofs in Balve. Dieses traurige Geschichtsdatum vor 85 Jahren war der Beginn der beispiellosen Verfolgung und Vernichtung des jüdischen Volkes durch die Nazis. Auch der ehrbare jüdische Kaufmann David Bondy und seine Frau waren Opfer der Judenverfolgung. Beide kamen 1942 im KZ Theresienstadt um.
Der Vorsitzende der Heimwacht, Peter Glasmacher, erinnert daran, dass dieses Gedenken angesichts des Massakers der Hamas in Israel vor einigen Wochen eine neue, traurige Aktualität bekommen habe.
Bitte korrigieren: Die Reichskristallnacht oder auch Pogromnacht der Judenverfolgung war vom 9./10. Oktober 1938, nicht 1933! Schlimme Vorfälle gegen den letzten Juden in Balve, David Bondy, habe ich veröffentlicht in in „Geschichten aus der alten Zeit II“
Hg: Kolping-Rumänienhilfe, Balve 2002) unter dem Titel:
Der Balver Jude David Bondy und sein Schicksal
Hier folgen Auszüge daraus:
„…Um David Bondy, den letzten Balver Juden, soll es im nachfolgenden Bericht gehen. In Pütters Buch lesen wir dazu: „In der Stadt bestand zwischen den Konfessionen und den Juden seit jeher eine allgemeine, echte Bürgergemeinschaft. Dies zeigte sich auch noch im ’Dritten Reich’. Seitens der Balver ist dem hier ansässigen letzten jüdischen Kaufmann kein Leid geschehen. Leider musste die Bevölkerung es traurig und machtlos geschehen lassen, dass auswärtige SA-Leute den alten, wohltätigen Mann misshandelten und seine Wohnung demolierten. Einige Zeit danach ist er dann in einem jüdischen Altersheim in Unna, wenn auch verbittert, so doch im Frieden gestorben.“ Sind die zuvor beschriebenen Vorgänge auch fürchterlich genug, so gehen sie immerhin von einem versöhnlichen Ende für den betroffenen Juden David Bondy aus.
Die Reichskristallnacht in Balve, 9./10.November 1938, beschreibt Harald Polenz detaillierter. Und über das weitere Schicksal des Juden hat er ganz andere Informationen. In seinem Buch „Zur Geschichte des ehem. Amtes und der Stadt Balve“ von 1980 (S. 331) ist nachzulesen: „In dieser besagten Nacht erschien auch in Balve eine Truppe der SA und drang in das Haus des Juden Bondi ein, der in der Stadt ein kleines Geschäft betrieb. In Balve sagt man, auswärtige SA-Leute seien die Missetäter gewesen. Ein heute noch in Balve lebender Mann sagt über den Juden Bondi aus: ‚Er war einer der charakterstärksten Menschen hier.’ Die SA machte kurzen Prozess, sie zerstörte die Einrichtung des Hauses und warf auch das Bild der verstorbenen Frau des Bondi auf die Straße. Als er unter Tränen protestierte, drohten ihm die SA-Schergen an, ihn zu ‚schlachten’.“ Polenz bezieht sich auf einen Freund des Juden, der ihm bestätigt habe, dass Bondi in ein Altersheim nach Unna kam und heimlich Freunde in Balve besuchte: Ihnen „erzählte er von seiner Armut: nicht einmal ein Taschentuch hatte man ihm in Unna gelassen. Schließlich verschleppten die Nazis den einzigen in Balve ansässigen Juden Bondi in das Konzentrationslager Theresienstadt…“ Dass er aber nicht dort, wie Polenz meint „schließlich umgebracht wurde“, sondern in Auschwitz, das ergibt sich aus anderen Quellen.
Die bittere Wahrheit über die Vorgänge in Balve findet sich auch bei Heinrich Falke wieder, der als Augenzeuge die entsetzlichen Geschehnisse dieser Nacht festgehalten hat („Die Kristallnacht in Balve“, abgedruckt in „Geschichten aus der alten Zeit“, 1995 herausgegeben vom Arbeitskreis Rumänienhilfe der Kolpingsfamilie Balve). Durch ihn wird das ganze schreckliche Ausmaß dieser Aggression gegen David Bondy, aber auch die Hilflosigkeit der Balver deutlich: „“…Eine ganze Anzahl Balver hatte sich schon eingefunden, die entsetzt zu seiner Wohnung hochschauten. In der Wohnung … hörte (man) lautes Randalieren, Schränke fielen um, Porzellan klirrte. Dazwischen das Rufen der Verbrecher, die sich auch am offenen Fenster zeigten. … Sie hatten SA-Uniform an und waren mit Pistolen bewaffnet. … Als Vikar Drilling, der im schwarzen Rock hier unten stand, den Verbrechern Worte der Empörung zurief, wurde von diesen zurückgeschrien, er käme als nächster dran. … Nachdem einige kleinere Möbelstücke aus dem Fenster geworfen waren, wurde er von den Beiden aus dem Hause gebracht. Es waren … Fremde, die man noch nie hier gesehen hatte. Kein Balver hat sich an diesen Ausschreitungen beteiligt.“ Nach einem Aufenthalt im Amtshaus konnte er am Abend in seine Wohnung zurückkehren. „Herr Bondy wohnte dann noch einige Zeit in Balve, ohne dass er belästigt wurde. Danach kam er in das Jüdische Altersheim in Unna. … Kurze Zeit später kam mit der Post eine Karte von ihm, auf der er unter anderem schrieb: Er wisse nicht, wie es weitergehe, sie würden wohl verlegt. Das war das letzte, was wir von David Bondy von ihm selbst, gehört haben. Später hieß es in Balve, er wäre nach Theresienstadt gebracht worden…“
Und auch das gehört zur traurigen Geschichte: „David Bondy ist am 25.08.1942 in Theresienstadt gestorben.“ – so dokumentiert es die Verwaltung des Ghetto Theresienstadt am selben Tag in der „Todesfallanzeige: Todesursache Herzschwäche.“
Rudolf Rath
Lieber Rudolf, schönen Dank für Deine ausführliche Schilderung und Zusammenfassung der Geschehnisse um David Bondy.
Im Namen der Redaktion
Roland Krahl