UWG-Bürgermeister-Kandidat Lorenz Schnadt (r.) fordert den amtierenden Bürgermeister Hubertus Mühling, der für eine Wiederwahl kandidiert, heraus. Archivfotos
Stadt Balve. Die Kommunalwahlen stehen in diesem Monat vor der Tür. Am 14. September können die Balver Bürgerinnen und Bürger wieder darüber entscheiden, wer die politischen Geschicke der Stadt Balve in die Hand nimmt. Neben den 16 Direktkandidaten wird auch der Bürgermeister gewählt. In Balve haben sich Hubertus Mühling (CDU) als bisheriger Amtsinhaber und Lorenz Schnadt (UWG) aufstellen lassen. Die HÖNNE-ZEITUNG befragte die beiden Kandidaten mit gleichlautenden Fragen.
Bürgermeister Hubertus Mühling:
Energiegesellschaft
für Balve gründen
Eine Wahlperiode endet in wenigen Tagen. Was war ihr eigener persönlicher Erfolg, den Sie in den vergangenen fünf Jahren auf der politischen Ebene für die Stadt Balve erzielen konnten und warum werten Sie das als Erfolg?
Von persönlichen Erfolgen kann ich nicht sprechen, da die erreichten Umsetzungen der letzten Jahre immer auch ein Zusammenspiel von Verwaltung und Rat sind, die gemeinsam zu den Erfolgen geführt haben.
Zu nennen sind unter dem vorher gesagten, sicherlich die Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen in den Ortsteilen wie den Dorfpark in Mellen oder die neugestaltete Ortsmitte in Garbeck. Aber auch die Straßenerneuerungen in Balve wie z.B. die der Garbecker Straße. Dies sind die Früchte der Dorfentwicklungspläne und des Innenstadtkonzeptes, die jetzt sichtbar werden.
Ein Erfolg ist auch der erfolgreiche Anstoß hin zur Umsetzung des Tausches von Bundesstraße und Kreisstraße zwischen Balve und Neuenrade. Hierdurch ergeben sich für die Balver Hauptstraße in Zukunft gute Gestaltungsmöglichkeiten und die Verbannung des LKW Verkehrs.
Ein weiterer Erfolg war auch die Vergabe und die Umsetzung des Kindergartenneubaus auf dem Gelände der ehemaligen Hauptschule. Hier eröffnet in Kürze ein dreigruppiger Kindergarten, der unsere U 3 Betreuungssituation in Balve verbessert.
Als Letztes möchte ich den Neubau des Gerätehauses in Sanssouci und die Planung des neuen Gerätehauses in Garbeck nennen. Beide Objekte sind die größten Investitionen der Stadt Balve in den vergangenen Jahren und stellen den wichtigen Baustein für die Ausstattung unserer freiwilligen Feuerwehr dar.
Über Niederlagen spricht man nicht gerne. Doch in welchem Bereich hätten Sie gerne einen Erfolg erzielt, der aber nicht die politische Mehrheit fand oder die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung?
Von Niederlage im eigentlichen Sinne möchte ich gar nicht sprechen, aber eine Enttäuschung und kein wirkliches vorwärtskommen muss ich für den viel diskutierten Hönnetalradweg nennen. Hier stoße ich an meine Grenze, was die Abstimmungen und die Genehmigungsfähigkeit dieser Trasse anbelangt.
Schauen wir in die nahe Zukunft. Was sind für Sie die Projekte, die kurzfristig in der Stadt angepackt werden müssen?
Als wichtigste Projekte bzw. Konzepte, die für Balve auf den Weg gebracht werden müssen, sind sicherlich das Innenstadtkonzept für Balve und der Brandschutzbedarfsplan zu nennen.
Wie sieht es mit den langfristigen Zielen aus? Welche Visionen haben Sie da vor Augen?
Langfristiges Ziel für Balve muss die Nutzung und Ausschöpfung der Energiewende für uns sein. Windanlagen die in Balve gebaut werden, müssen sich monetär und energetisch für uns bezahlt machen. Daher möchte ich eine Energiegesellschaft gründen, die die Wertschöpfung der Energiewende für uns sicherstellt. Als erste wichtige Grundlage dazu muss die kommunale Wärmeplanung erarbeitet werden.
Rund um Balve werden in den kommenden Jahren große Windenergieanlagen entstehen. Das könnte für die Stadt Balve Fluch und Segen zugleich bedeuten. Wie sehen Sie die Fremdenverkehrsentwicklung in den kommenden Jahren unter dem Aspekt der unschönen Anlagen auf den Bergen? Welche Vorteile könnten für jede Bürgerin und jeden Bürger in der Stadt entstehen? Die jährlichen Einnahmen werden schließlich nicht unerheblich sein.
Die Energieproduktion verändert sich: Weg von zentralen Kraftwerken, die für uns immer relativ weit entfernt waren, hin zu einer dezentralen Erzeugung durch Windanlagen und PV-Anlagen vor unseren Haustüren. Das alles ist unserem enormen Energiehunger geschuldet, der sich in den nächsten Jahrzehnten massiv vergrößern wird.
Südwestfalen und damit auch Balve, sind durch ihre Topografie dabei eine geeignete Region um Windanlagen zu betreiben.
Das diese in Balve und um Balve herum gebaut werden, liegt nicht in unserer Entscheidung. Das haben Berlin und Düsseldorf für uns entschieden. Jetzt ist es an uns, das beste daraus zu machen. Wie, das habe ich bereits in der vorherigen Antwort erklärt. Die Stadt bekommt gesicherte Einnahmen durch den Betrieb der Windanlagen, die Balver Gesellschaft wird durch Zuwendungen an eine Stiftung (im besten Fall die Bürgerstiftung Balve) Geld aus dem Betrieb der Anlage erhalten, Balverinnen und Balver können sich direkt an dem Investment der Anlagen beteiligen und sollten über die Balver Vertriebsgesellschaft grünen Strom aus Balve zu einem marktfähigen Preis erhalten können.
Der Tourismus, der sich bei uns im Aufwind befindet, wird darunter weniger leiden. Durch unsere Topografie sind die Blicke in die Natur immer wieder anders und die Windräder sind dadurch nicht immer so präsent, wie wir das aus Norddeutschland kennen.
Sind sie froh darüber, dass die extrem rechte politische Szene in Balve bei dieser Wahl keine Rolle spielt? Wie verhalten Sie sich in Zukunft der AfD gegenüber – vielleicht gemeinsam?
Extrem rechte Parteien haben in Deutschland keinen Platz in der demokratischen Parteienfamilie. Dabei stellt die AfD eine legitime Partei in unserm Lande dar, die von immer mehr Menschen, auch hier in Balve, bei Bundes- oder Europawahlen gewählt wird.
Auch wenn es für die Kommunalwahl in Balve keinen oder keine AfD-Kandidaten gibt, so muss man sich inhaltlich mit dieser Partei auseinandersetzen und nicht ignorieren. Auf unserer kommunalen Ebene geht es um Sachthemen und nicht um politische Ideologien. Hier zählt für mich immer, das Ergebnis für Balve, egal mit welchen Stimmen.
Herausforderer Lorenz Schnadt:
Infrastruktur muss
ausgebaut werden
Eine Wahlperiode endet in wenigen Tagen. Was war ihr eigener persönlicher Erfolg, den Sie in den vergangenen fünf Jahren auf der politischen Ebene für die Stadt Balve erzielen konnten und warum werten Sie das als Erfolg?
Da wären so einige zu nennen, z.B. die zügellose Erweiterung des Steinbruchs in Eisborn verhindert zu haben, oder das Dank unseres Antrags die Balkonkraftwerke in Balve gefördert werden. Wo ich aber besonders stolz drauf bin, ist die Neuausschreibung der Stadtwerke im Bereich der Wasseranschlüsse. Was kaum jemand weiß ist die Tatsache, dass man, wenn man ein Haus neu baut, sich den Unternehmer für den Wasseranschluss nicht frei aussuchen kann. Konkret: es gibt da keinen Wettbewerb! Also muss dieser Wettbewerb vorverlagert werden. Rechtlich ist die Stadt gezwungen, diese Leistung alle vier Jahre auszuschreiben. Dies wurde mehr als 21 Jahre nicht gemacht! Selbst auf unser Nachfragen sagte der Werksleiter und Bürgermeister: Brauchen wir nicht! Erst durch das Einschalten der Kommunalaufsicht ist es mir gelungen, diese Verfahrensweise zu ändern und einen regelkonformen Wettbewerb im Sinne der Bürger zu implementieren.
Über Niederlagen spricht man nicht gerne. Doch in welchem Bereich hätten Sie gerne einen Erfolg erzielt, der aber nicht die politische Mehrheit fand oder die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung?
Da kann ich den Abriss der Kornmühle in Wocklum benennen. Ich bin da aber sehr ambivalent. Einerseits wollte die CDU dieses Thema schnell und ohne Aufsehen quasi 1. Klasse beerdigen. Dies habe ich konsequent verhindert! Es wurde öffentlich diskutiert und ein Mini-Kompromiss erreicht. Tatsächlich aber wurde einem der reichsten Eigentümer in Balve erlaubt, ein historisches Denkmal einfach mal so abzureißen, obwohl es eigentlich Aufgabe der Stadt gewesen wäre, dies zu schützen! Der Bürgermeister hat ja auch in der Ratssitzung öffentlich eingestanden, dass dies ein Totalversagen seiner Verwaltung war. Aber im Ergebnis ist sie jetzt weg und Balve hat ein Denkmal weniger. Es ist schade und traurig.
Schauen wir in die nahe Zukunft. Was sind für Sie die Projekte, die kurzfristig in der Stadt angepackt werden müssen?
Die Feuerwehraffäre ist ja erst seit wenigen Wochen bekannt und gerade in der Aufklärung. Offensichtlich besteht hier ein gravierendes Fehlverhalten eines Einzelnen. Aber man muss auch die Frage stellen: wo waren die Vorgesetzten, die ihn kontrollieren sollten? Was haben die gemacht und wie sah diese Kontrolle aus, bzw. warum wurde sie nicht ausgeübt? Warum fällt in der Kämmerei z.B. das Fehlen von sechsstelligen Beträgen nicht auf?
Ich muss auch hier feststellen, dass die Stadt Balve doch ein gebranntes Kind ist. In der Schubladenaffäre von 1993 fehlten schon einmal über 600.000,- DM, ohne dass dies jahrelang jemanden aufgefallen ist!
Kurzum, die Prozesse, Abläufe und das Controlling der Stadtverwaltung muss sofort effektiver, effizienter und moderner werden. Zudem gehört das Führungsverständnis des Verwaltungsvorstandes auf den Prüfstand! Vor allem aber gehört die Feuerwehraffäre restlos aufgeklärt mit allen Konsequenzen!
Zu den sächlichen Projekten gehört vor allem der Umbau der Balver Innenstadt und bezogen auf alle Dörfer, die Renovierung unserer Straßen.
Wie sieht es mit den langfristigen Zielen aus? Welche Visionen haben Sie da vor Augen?
Der Begriff der „Visionen“ ist durch Helmut Schmidt ja hinreichend diskreditiert worden 🙂
Langfristig muss vor allem die Infrastruktur instand gesetzt werden, Stichwort: Renovierung unserer in die Jahre gekommenen Gemeinde- und Anliegerstraßen. Aber die Infrastruktur muss auch dringend ausgebaut werden. Stichworte: – Weiterbau der A 46 und Bau einer Anschlussstelle in der Nähe zum Hönnetal, – Einrichten von Buslinien von Balve über Hemer nach Iserlohn, – Ausbau des ÖPNV insgesamt.
Nach wie vor fehlen uns Gewerbeflächen, hier besteht dringender Handlungsbedarf!
Das Thema erneuerbare Energien wird ja teilweise in Frage 5 behandelt, aber es gibt auch in Balve dazu viel zu tun. Stichworte: – Einspeisung von Gas in die Leitungen durch Biogasanlagen. Verbindung der Balver Industriebetriebe an das Wasserstoffnetz aus Arnsberg; der Anschluss liegt schon unterhalb des Ebbergs in Eisborn.
Rund um Balve werden in den kommenden Jahren große Windenergieanlagen entstehen. Das könnte für die Stadt Balve Fluch und Segen zugleich bedeuten. Wie sehen Sie die Fremdenverkehrsentwicklung in den kommenden Jahren unter dem Aspekt der unschönen Anlagen auf den Bergen? Welche Vorteile könnten für jede Bürgerin und jeden Bürger in der Stadt entstehen? Die jährlichen Einnahmen werden schließlich nicht unerheblich sein.
Es stimmt, nach dem EEG bekommen Gemeinden, auf deren Stadtgebiet bzw. in deren Umfeld Windenergieanlagen stehen, 0,2 Cent pro Kilowattstunde Strom. Davon ausgehend, dass Ende 2027 rund 45 Windräder in Balve stehen macht das eine ganze Menge Geld aus. Ich mache kein Hehl daraus, dass mir persönlich das viel zu viel ist. Dadurch entsteht eine bedrückende Wirkung auf die Balver Dörfer, da ja andere Städte, z.B. Sundern und Neuenrade, auf ihren Flächen ebenfalls massiv den Windradausbau vorantreiben. Ich denke mit Blick auf den Kohlberg in Neuenrade, wird es dem Tourismus nicht schaden, gehen z.B. dort viele Menschen aus purer Neugier dorthin. Meines Erachtens wird es daher vor allem ein Problem für Balver Bürger, die tagein und tagaus auf diese riesigen Anlagen schauen werden. Immerhin haben diese Windräder eine Genehmigung für mindestens 20 Jahre.
Da auf gesetzgeberischer Seite der Ausbau der Windenergie durch die Bundesregierungen auf Bundesebene gehoben wurde, hat der Balver Stadtrat leider keine Möglichkeit der Einflussnahme. Wir müssen es daher nehmen, wie es kommt. Positiv ist sicherlich die Einnahmeseite durch den Stromcent (siehe oben erwähnt). Durch die großen Mengen an Überstrom (wenn sich die Räder drehen, der Strom aber nicht ins Netz eingespeist wird) ergeben sich in Balve aber auch Chancen. Wie können wir diese Masse an Strom speichern und nutzbar machen? Kann man damit ein Nahwärmenetz betreiben? Wie können unsere Stadtwerke davon profitieren?
Klar ist, am Ende müssen die Balver Bürger, die vor allem die optischen Nachteile des Windkraftausbaus ertragen müssen, auch davon profitieren. Vor allem durch billigen Strom!
Sind sie froh darüber, dass die extrem rechte politische Szene in Balve bei dieser Wahl keine Rolle spielt? Wie verhalten Sie sich in Zukunft der AfD gegenüber – vielleicht gemeinsam?
Ich bin froh, dass extrem rechte Tendenzen in Balve bei dieser Wahl keine Rolle spielen. Das zeigt, dass unsere Stadt- und Dorfgesellschaft gefestigt ist und demokratische Werte trägt. Als Bürgermeisterkandidat ist mir wichtig, mit allen demokratischen Kräften respektvoll im Dialog zu bleiben – aber eine Zusammenarbeit mit der AfD sehe ich nicht, solange sie Positionen vertritt, die ausgrenzen oder spalten. Mein Fokus liegt auf dem Miteinander in unserer Stadt – unabhängig von parteipolitischen Ideologien.
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Vielen Dank für die Antworten. Die HÖNNE-ZEITUNG wünscht beiden Kandidaten einen fairen Restwahlkampf.
Das Interview führte per E-Mail Roland Krahl.