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Balve/Neuenrade. (R.E.) Wie die HÖNNEZEITUNG bereits gestern berichtete, führen die beiden Hausarztpraxen Dr. Paul Stüeken und Dr. Gregor Schmitz Abstrichuntersuchungen auf das CORONA-Virus jetzt auch selbst durch. Im Gespräch mit der HÖNNE-ZEITUNG erläutert Hausarzt Dr. Schmitz noch einmal die Hintergründe für diese Maßnahme. Denn bisher mussten Patienten aus Balve, die vom Gesundheitsamt des Märkischen Kreises auf das Corona-Virus getestet worden sind, bis zu 14 Tage auf das Ergebnis warten.

HÖNNE-ZEITUNG: Warum nehmen Sie jetzt Corona-Testungen durch Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen aus Ihren Hausarztpraxen vor?
Dr. Gregor Schmitz: Die Pandemie breitet sich in den letzten 3 Wochen in Deutschland mit großer Dynamik aus. Genau so dynamisch laufen die Abwehrstrategien auf allen Ebenen. Zu Beginn gab es nur ein Referenzlabor in Berlin, das die Proben bearbeiten konnte. Nach und nach haben immer mehr Labore die CORONA-Testung in ihr Untersuchungsspektrum aufgenommen. Die Labore, mit denen die beiden Balver Hausarztpraxen zusammenarbeiten, bieten die Testung auch an. Da wir keine „Massentests“ durchführen, sondern nur unsere eigenen Patienten testen, auf die die Indikation zur Testung gemäß den Vorgaben des RKI zutrifft, haben wir die Ergebnisse derzeit meist innerhalb von 24 bis 48 Stunden. Am Freitag haben wir drei Patienten auf CORONA-Viren untersucht. Denen konnte ich am Samstagnachmittag bereits das – glücklicherweise negative – Ergebnis mitteilen. Ob wir diese Geschwindigkeit auf Dauer halten können, hängt sicher auch mit dem Gesamtprobenaufkommen zusammen.

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Wie führen Sie die Tests durch?
Die Tests werden nicht in den Praxisräumen durchgeführt, um das medizinische Personal nicht zu gefährden. Die Betroffenen erhalten ein vorbereitetes Test-Set und eine genaue, bebilderte Anleitung wie der Abstrich sowohl aus dem Rachen als auch aus der Nase entnommen wird. Den Abstrich führt der Betroffene oder ein Angehöriger durch. Wenn eine genaue Anleitung zur Testdurchführung erfolgt, sind die Tests qualitativ sehr aussagekräftig. Andere Länder, zum Beispiel Süd-Korea, haben hiermit sehr gute Erfahrungen gemacht. Anschließend muss die Probe – nicht vom Betroffenen selbst – in die Praxis gebracht werden. Wenn dies so nicht durchführbar ist, besteht weiter die Möglichkeit, den Abstrich über den Märkischen Kreis entweder an einer Drive-in Station oder in besonderen Fällen durch einen Besuch des Mitarbeiters beim Betroffenen durchführen zu lassen. Diese Abstriche müssen aber auch weiterhin vom Hausarzt mittels Überweisung beim Märkischen Kreis angefordert werden.

Was halten Sie von zentralen Testungen?
Die Grundidee, die Tests zentral durchzuführen, ist sicher begrüßenswert. Auf diese Weise wollte man verhindern, dass die Praxen der niedergelassenen Ärzte überrannt werden von Patienten, die sich testen lassen wollten. Insbesondere die Aufforderung unseres Gesundheitsministers, dass alle Rückkehrer aus Österreich, Italien und der Schweiz sich in eine 14-tägige, freiwillige Quarantäne begeben sollten, hat zu großer Verunsicherung geführt. Viele der Betroffenen wollten sich dann testen lassen. Allein am ersten Montag nach diesem Aufruf waren es mehr als 400 Bürger im Märkischen Kreis. Dass damit alle beim Kreis-Beteiligten überfordert waren, ist mehr als verständlich.

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Wo sehen Sie die Probleme bei den Tests, die der Märkische Kreis zentral durchführt?
Die hohe Anzahl an Testanforderungen konnten weder vom Märkischen Kreis, noch von den beauftragten Laboren bewältigt werden. Dies hat dazu geführt, dass Betroffene zum Teil erst nach mehr als 14 Tagen ihr Testergebnis erhalten haben. Beide Seiten haben darauf reagiert. Der Kreis richtete die mobilen Abstrich-Zentren ein, und die beauftragten Labore haben ihre Kapazität deutlich erweitert. Jetzt haben wir aktuell die Situation, dass Betroffene sich eigenverantwortlich und/oder auf unseren dringenden Rat in häusliche Quarantäne begeben haben.

Wann wird die Quarantänezeit verlängert?
Die Quarantänezeit ist eigentlich mit 14 Tagen abgelaufen und die Patienten haben seit mehr als 48 Stunden keine Symptome mehr. Damit wären die Kriterien zum Aufheben der Quarantäne erfüllt. Da die Teste aber teilweise mit mehr als einer Woche Verzug durchgeführt wurden, verhängt das Gesundheitsamt erneut eine Quarantäne, da für sie das Testdatum maßgeblich ist.

Wie beurteilen Sie die Qualität der durchgeführten Abstriche?Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Ich habe bei vielen unserer Patienten, die getestet wurden nachgefragt, wie die Tests abgenommen wurden. Einige wenige von ihnen berichteten, dass von den Mitarbeitern des Kreises der Abstrich selbst und sowohl aus dem Rachen als auch aus der Nase abgenommen wurde. Dies entspricht dem vorgeschriebenen Vorgehen. Die meisten meiner Patienten gaben aber als Antwort, sie hätten mit dem Testtupfer selbst einen Abstrich nur aus der Mundhöhle entnommen. Ich wollte dies zunächst nicht glauben, bis ich in der WDR-Lokalzeit am vergangenen Mittwoch als später auch in einem Video auf der Homepage des Märkischen Kreises genau dieses Vorgehen gesehen habe.

Was ist denn daran falsch?
Bereits Ende Januar wurde im weltweit angesehenen „Journal of the American Medical Association“ über Studien aus China berichtet, dass bei nachgewiesenen COVID-19-Patienten Rachenabstriche nur in 32 Prozent, Nasenabstriche aber in 62 Prozent der Fälle positiv waren. Zur richtigen Probeentnahme gibt es Hinweise des RKI, die wiederum auf Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beruhen. Dort wird ausdrücklich beschrieben: „At minimum, respiratory material should be collected: upper respiratory specimens: nasopharyngeal and oropharyngeal swab in ambulatory patients“. Übersetzt heißt das: Bei ambulanten Patienten ist mindestens ein Nasen – und Rachenabstrich zu entnehmen.

Es gibt doch ein Merkblatt
Im Merkblatt des Bundesgesundheitsministeriums für Patienten heißt es: „Zur Abklärung einer Infektion entnimmt Ihre Ärztin oder Ihr Arzt eine Probe aus den oberen und/oder tiefen Atemwegen, zum Beispiel als Abstrich aus dem Nasen-,Mund-, Rachenbereich.“ Jeder Laborarzt wird Ihnen bestätigen, dass absolute Vorbedingung für eine korrekte Laboruntersuchung die richtige Probeentnahme ist. Falsche negative Abstriche sind in der jetzigen Situation aber besonders gefährlich, da sich die Betroffenen in falscher Sicherheit wiegen und damit andere Menschen in der Umgebung anstecken können.

Was halten Sie von der Forderung, die Tests deutlich auszuweiten ?
Diese Frage kann aus verschiedenen Blickrichtungen unterschiedlich beantwortet werden. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass ein korrekt abgenommener Abstrich nur etwas aussagt über den Moment, zu dem er abgenommen wurde. Ein positiver Abstrich besagt, dass der Betroffene SARS-CoV-2 Viren über die Atemwege ausscheidet. Ein negativer Abstrich besagt nur, dass zum Testzeitpunkt keine Viren gefunden wurden. Ob das am nächsten Tag nicht anders ist, wissen wir nicht. So gesehen müsste jeder Bürger jeden Tag erneut getestet werden, um zu wissen, dass er keine Viren ausatmet. Dies ist nicht durchführbar.

Sind Massentests nicht trügerisch?
Aus wissenschaftlicher Sicht der Virologen und Epidemiologen, also der Wissenschaftler die sich mit der Erforschung der Entstehung, Verbreitung, Bekämpfung und den sozialen Folgen von Epidemien beschäftigen, sind große Datenmengen natürlich höchst interessant um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Aus Sicht der Politik, die die Forderung ja auch immer vertritt, wären hohe, insbesondere positive Fallzahlen durchaus willkommen. An der absoluten Zahl der Todesfälle in Folge von COVID-19 ändert sich zwar nichts, die Zahl der Todesfälle bezogen auf die Zahl der positiv Getesteten ist aber dann deutlich niedriger als in Ländern, die nur wenige Tests durchführen. Ich befürchte, dass dies dann wieder als Beweis für gute Politik genommen wird und keine Lehren aus dieser Pandemie für die Zukunft gezogen werden.

Wie wird es Ihrer Meinung nach mit der Pandemie weiter gehen?
Das kann zurzeit niemand sicher vorhersagen. Aus medizinischer Sicht werden derzeit sowohl in den Krankenhäusern als auch im Bereich der niedergelassenen Ärzteschaft alle Anstrengungen unternommen, die medizinische Seite des Problems zu lösen. Die Kassenärztliche Vereinigung hat in der letzten Woche damit begonnen, 35 sogenannte Behandlungszentren in ganz Westfalen aufzubauen.

Wird es neue Behandlungszentren bei uns geben?
Die regionalen Behandlungszentren sind Anlaufstellen ausschließlich für Patienten, die sich entweder mit dem Corona-Virus infiziert haben oder die unter respiratorischen Symptomen, also Atemwegserkrankungen, leiden. Im Behandlungszentrum schätzt ein Arzt die Schwere der Infektion und den Behandlungsbedarf der Patienten – auch in Bezug auf mögliche Begleiterkrankungen – ein. Er kann Rezepte und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen sowie eventuell eine stationäre Einweisung veranlassen. Die dort tätigen Ärzte und Helferinnen sind niedergelassene Ärzte und Arzthelferinnen, die diese Aufgaben freiwillig und zusätzlich übernehmen. In unserer Region soll ein solches Zentrum in dieser Woche seinen Betrieb aufnehmen.

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