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Entnommen der gedruckten Ausgabe der HÖNNE-ZEITUNG.

Von Daniel Pütz

Balve/Köln/Paderborn. Östlich der Südspitze des indischen Subkontinents liegt der Inselstaat Sri Lanka. Von hier stammt Manoshan Justin. Der heute 38-jährige kam mit acht Jahren gemeinsam mit seinen Eltern nach Deutschland. Heute lebt er in Köln.
Aufgewachsen ist er in Balve, gemeinsam mit seinem Bruder Sebastian, der heute in Paderborn Sport und Englisch auf Lehramt studiert. „Sebastian ist hervorragend integriert, er ist bei den Schützen, hat im Kirchenchor gesungen, spielt Basketball…“, sagt Manoshan (Foto links)über seinen Bruder. Vor allem aber ist Sebastian Justin in Menden geboren und somit von Beginn seines Lebens Deutscher.
Würde man bei einem anderen im Kirchenchor singenden Schützenbruder davon sprechen, dass er sich gut integriert habe? Der Frage was den Unterschied ausmacht geht die HÖNNE-ZEITUNG im Gespräch mit beiden Brüdern nach.
Als Deutsche mit sri-lankischen Wurzeln bezeichnen sie sich als dunkelhäutig. „Als ich bei den Sternsingern mitgemacht habe, war mir und der Gruppe sofort klar, welchen König ich spielen würde. Die Idee mich weiß zu schminken war eher ein Scherz“, witzelt Sebastian in Bezug auf seine Rolle als vermeintlich schwarzer Balthasar beim Dreikönigssingen in Balve. Den Brauch des Sternsingens gibt es in Deutschland erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts.
Er sieht zunächst kein Problem darin, dass Kinder am Dreikönigstag schwarz angemalt werden. Bis zu unserem Gespräch wusste er nicht, dass die Tradition des schwarzen Königs auf mittelalterlichen Darstellungen beruht, wo ein weißer ein gelber und ein schwarzer Mann die drei damals bekannten Kontinente Europa, Asien und Afrika repräsentieren.
In der Bibel sind die  Sterndeuter weder drei, noch schwarz, noch Könige. Dann wird Sebastian nachdenklich. Er habe noch nie gesehen, dass jemand gelb angemalt werde. Die Frage, wer in diesem Jahr „der Schwarze“ sei, sei hingegen anscheinend wichtig.
Mit der Mission habe das nichts zu tun. „Es würde absolut keinen Unterschied machen wenn drei Hellhäutige durch die Straßen laufen, die Mission und den Segen weiterbringen und Spenden sammeln.“ Das Argument, dass man das aber schon immer so mache, lässt er nicht gelten.
Wenn man schon einen schwarzen als Repräsentanten des „schwarzen Kontinents“ dabei haben müsse, sollte man kommunizieren wo dieser Brauch herkommt, findet Sebastian, der eigentlich das beste Beispiel dafür ist, dass man aufgrund der Hautfarbe nicht auf das Geburtsland schließen kann.
Die Diskussion um das vermeintliche „Blackfacing“ beim Sternsingen findet sein Bruder Manoshan überstrapaziert. Im Gegenteil sieht er ein Problem in überbordender „Political Corectness“. „Blackfacing“ bezeichnet im Ursprung eine amerikanische Theatertradition des 18. und 19. Jahrhunderts, bei der sich schwarz angemalte Weiße über Schwarze lustig machen. Der Begriff wird heute häufig auch losgelöst von dieser Tradition benutzt, wenn Weiße einen Schwarzen mimen. Er schlägt den Bogen zum Thema kulturelle Aneignung.
Der Software-Entwickler sieht die Gefahr einer neuen Apartheid, wenn plötzlich beispielsweise nur der Inder den roten Punkt auf der Stirn tragen dürfe, nicht aber der Deutsche, der sich vielleicht mit der indischen Kultur identifiziert. Im folk­loristischen Bereich sieht er eher ein Problem beim Knecht Ruprecht, der als schwarzer Diener des Nikolaus dargestellt wird. Dies fördere die Konnotation weiß gut – schwarz schlecht.
Die drei Könige durchweg weiß darzustellen hält er auch nicht für richtig, falle doch so der traditionell Dunkelhäutige unter den Tisch. „Whitewashing“ nennt er das, in Anspielung auf die Besetzungspraxis in der amerikanischen Unterhaltungsindustrie nicht-weiße Rollen mit weißen Schauspielern zu besetzen.
Viele Jesus-Darstellungen seien hier auch problematisch. Als in Palästina aufgewachsener Jude war der historische Jesus von Nazareth mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht weiß oder gar blond, wie oft dargestellt. Das Kindermissionswerk als Träger der Sternsinger-Aktion empfiehlt übrigens Kinder nicht mehr schwarz zu schminken. Das sei nicht zeitgemäß.
„Wir wissen aber, dass die Gleichung von Hautfarbe und Herkunft nicht aufgeht. Wenn ein Mensch schwarz ist, bedeutet das eben nicht automatisch, dass er aus Afrika kommt.“, heißt es in einer Stellungnahme zum Thema.
Sebastian Justin hält diese Einstellung für sehr fortschrittlich. Mancher argumentiere, es sei kein Problem als angemalter Weißer einen schwarzen König darzustellen, handele es sich doch nicht um eine Abwertung sondern im Gegenteil um eine Aufwertung. Warum ein Farbiger überhaupt eine Aufwertung benötige, lasse dieser Gedankengang allerdings offen.
Manoshan differenziert zwischen direktem Rassismus, der ihm eher im dörflichen Umfeld begegne und indirektem. Er beschreibt den direkten so, dass sein Gegenüber ihn direkt wegen seiner Hautfarbe beleidigt oder verspottet. Indirekter oder versteckter Rassismus sei es, wenn beispielsweise an der Supermarktkasse bei ihm öfter als bei anderen geprüft werde, ob es sich beim gerade abgegebenen Schein auch wirklich nicht um Falschgeld handele.
Dem direkten Rassismus lasse sich leichter begegnen, da man ihn auch direkt mit Sprüchen kontern könne. Häufig bekomme er hier auch direkt Unterstützung von Freunden, wenn mal wieder jemand in der Kneipe verbal übergriffig wird.
Sein Bruder sieht sich auf dem Land weniger Rassismus ausgesetzt, auch wenn dieser da sei. Rassismus sei ja auch nicht immer Handlung sondern viel mehr Haltung, die häufig auch unbewusst passiert. Wenn er zum Beispiel gefragt werde, was er denn wohl auf einem Schützenfest machen würde, während die Anwesenheit seiner weißen Freunde unkommentiert bliebe. Das müsse ja nicht immer, wie in diesem Fall, böse gemeint sein. Man müsse aber auch nicht „jeden Furz“ als rassistisch abstempeln.
Dafür, dass sowohl Manoshan als auch Sebastian zu Beginn der Unterhaltung beteuern mit Rassismus in Balve wenig bis gar nicht konfrontiert worden zu sein, erzählen sie im Laufe des Gesprächs erstaunlich viele Geschichten, die das Gegenteil belegen. Letztlich ist vermutlich nicht nur Rassismus Haltung, sondern auch die Frage, wie sehr man sich selbst davon betroffen macht.

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