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Balve. Am kommenden Sonntag führt die Superintendentin Martina Espelöer Sven Körber als Gemeindepädagogen in Balve ein. Bereits im Vorfeld, angeregt durch Nachfragen von Balvern, stellen sich viel Fragen, wie es nun mit der Evangelischen Kirche in Balve weitergeht und was die Zukunft so bringt. In einem Interview mit Julia Schneider wurden nun ein paar Fragen aufgegriffen, die immer wieder auftauchten.

IPT – Was bedeutet es für die Ev. Kirche in Balve?

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Sven Körber (r) und Jugendreferentin Doreen Wahl (m) mit Vorgängerin Pfarrerin Antje Kastens

Der Abschied von Pfrn. Antje Kastens rückt spürbar näher. Viele in der Ev. Kirchengemeinde Balve fragten in den letzten Tagen genauer nach: Was ist ein IPT? Was bedeutet es für Balve? Unter ihnen war auch Julia Schneider (16), die als engagierte Jugendmitarbeiterin öfters zu Gast im Balver Presbyterium war. Sie stellte Pfrn. Antje Kastens ihre Fragen.

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Julia Schneider: Nun haben wir seit dem 1. August das IPT-Modell mit Gemeindepädagoge Sven Körber in Balve und Pfr. Thomas Ehlert in Deilinghofen. Sind Sie mit der Nachfolgeregelung zufrieden?
Pfrn. Kastens: Ja, es war unter den Umständen die beste Lösung. Denn wir haben nun für Balve zu 100% einen hauptamtlichen Seelsorger bekommen. Der Gemeindepädagoge Sven Körber ist „das Gesicht“ für Balve. Er macht die Gottesdienste und Abendgottesdienste incl. Abendmahl, ebenso Taufen, Trauungen, Beerdigungen. Er leitet die Gemeindebrief-Redaktion und die Konfirmandenarbeit incl. Freizeiten. Er ist Ansprechpartner für Grußworte und ökumenische Gottesdienste der Balver Schulen, Feuerwehren, Vereine, Kommune. Neben ihm haben wir als Kirchengemeinde seit dem 1. Februar 2023 bereits seine Partnerin Doreen Wahl mit 50 % als Jugendreferentin berufen. Ihre Stelle bezahlen wir aus Spenden und unserem Kirchensteuermittel-Etat. Das heißt: Auf eine 100 %-Pfarrstelle Kastens folgen jetzt nahtlos, ohne jede Vakanzzeit, die 150 %-Stellen mit dem Ehepaar Körber/Wahl. Das ist eine sehr gute Nachfolgeregelung.

Julia Schneider: In beiden Landeskirchen, katholisch wie evangelisch, hört man, dass die Nachbesetzung von Pfarrstellen schwierig ist. Warum?
Pfrn. Kastens: Zuallererst fehlt der Nachwuchs. Wir hatten in Balve oft Praktikanten aus Schule oder Theologie-Studium. Allen hat es gut gefallen. Aber der Arbeitsumfang schreckt ab. Heute studieren nur wenige junge Leute Theologie. Den Kirchen bläst der Wind von vorne entgegen. Dabei braucht die Gesellschaft mehr denn je gute Seelsorger/innen, die zusammenführen und Zuversicht und Orientierung vermitteln.

Julia Schneider: Und was ist das zweite Problem?
Pfrn. Kastens: Die Gemeindegliederzahlen sinken. Damit sinken auch die Kirchensteuermittel. Dementsprechend sind die Gemeindeglieder pro Pfarrstelle nach oben geschnellt: 3.000 – 4.000, man spricht von 5.000 Gemeindegliedern pro Pfarrstelle um 2035. Man rüstet sich für die Zeit knapper Kassen, möchte aber gleichzeitig die Basis gut versorgt wissen. Das geht nur mit Kompromissen und neuen Personallösungen.

Julia Schneider: Wie ist es in Balve?
Pfrn. Kastens: Unsere Kirchengemeinde hat heute ca. 2.100 Mitglieder. Bei uns treten gegen den Trend ungewöhnlich viele Menschen ein, aber eben auch Mitglieder aus. Dass die Ev. Landeskirche von Westfalen der Balver Gemeinde 2017 die 100% Pfarrstelle zur Besetzung freigab, war schon eine Entscheidung gegen den Trend. Man hat in Kirchenkreis und Landeskirche die besondere Situation dieser kleinen engagierten Diasporagemeinde honoriert. So durfte ich hier 6 Jahre Dienst tun mit einem tatkräftigen Presbyterium und steigender Mitarbeiterschaft. Die Zeit tat der Kirchengemeinde und wohl auch der Ökumene und Kommune gut.

Julia Schneider: Manche denken gerade: Und jetzt? Wird Balve jetzt unterversorgt sein? Schließlich gibt es keine 100% Pfarrstelle mehr!
Pfrn. Kastens: Ich verstehe die Bedenken. Jede Gemeinde hätte gern 100% Pfarrer/in. Jetzt wären 60% Pfarrstelle für Balve genehmigungsfähig gewesen. Auch Deilinghofen hätte max. 75 % besetzen dürfen. Das hilft keiner Gemeinde. Die Superintendentin machte Mut: „Sprecht miteinander, schaut weit. Sucht neue Wege!“ Im presbyterial-synodalen System unserer Kirche hat die Basis viel Eigenverantwortung und viele Möglichkeiten. So kam die Kooperation mit der Nachbargemeinde in der Personalfrage („pfarramtliche Verbindung“) zustande. Das jetzt mögliche IPT-Modell wird finanziell von der westfälischen Landeskirche als „Pilotprojekt“ subventioniert. Wir dürfen unsere vakanten Pfarrstellen mit 100% Gemeindepädagoge und 100% Pfarrer besetzen, ein deutlicher Rückenwind für den Aufbruch.

Julia Schneider: Was heißt das IPT-Modell genau?
Pfrn. Kastens: In einem „Interprofessionellen Pastoralteam“ arbeiten Menschen aus sozialen, religionspädagogischen, diakonischen, psychologischen oder betriebswirtschaftlichen Professionen mit Pfarrtheologen zusammen. Sie bilden ein Team, wo die Aufgabengebiete (hier Dienstort Balve, Dienstort Deilinghofen) zugeteilt sind, aber Synergie-Effekte durch Zusammenarbeit entstehen. Sven Körber ist hoch qualifiziert für einen Gemeindepädagogen. Er hat 4 Jahre Theologie studiert, incl. Graecum und Hebraicum. Anschließend hat er am Johanneum, Wuppertal, die religionspädagogische Ausbildung durchlaufen und danach Berufserfahrungen gesammelt, zuletzt fast 10 Jahre als Fortbilder im landeskirchlichen Amt für Mission und Ökumene. Was Deilinghofen auf dem Papier durch ein Pfarramt „mehr“ hat, dient der Verwaltungsarbeit beider Gemeinden, die lt. Kirchenordnung an das Pfarramt gebunden ist. Beide Hauptamtlichen arbeiten auf Augenhöhe und vertreten sich bei Urlaub/kurzfristiger Krankheit gegenseitig.

Julia Schneider: Hat das Modell auch Schattenseiten?
Pfrn. Kastens: Klar! Denn es ist so neu, dass die Kirchenordnung der Landeskirche nicht nachkommt. So unterstützen wir Balver mit anderen Kirchengemeinden und Kreissynoden jetzt den Antrag an die Landessynode, dass beide, Angestellte/r und Pfarrer/in im IPT-Modell gleiches Stimmrecht im Presbyterium und auf der Kreissynode erhalten. Die Änderung der Kirchenordnung wird auf der nächsten Landessynode im Herbst besprochen.

Julia Schneider: Was meinen Sie: Hat Kirche Zukunft?
Pfrn. Kastens: Ja, wenn sie sich auf das Wesentliche konzentriert! Durch Jesus Christus hat sie ein klares Profil der Fürsorge und Nachsorge, der Menschenfreundlichkeit und Gerechtigkeit. Seine frohe Botschaft ruft in Freiheit, Gemeinschaft, Verantwortung. Das braucht eine Gesellschaft, die sich in Individualismus, Einsamkeit und Benachteiligung auseinanderdividiert. Man merkt es ja: Menschen kommen in Gottesdienste, wo die Predigt ihre Fragen aufgreift und ihnen zum Leben und Glauben Mut macht. Sie bringen sich ein ins Ehrenamt, geben von der Liebe weiter, die sie selbst empfangen haben, sind diakonisch unterwegs. Lebendige Gemeinden sind Orte der Hoffnung in krisenhafter Zeit.

Wir, die Ev. Kirche in Balve, haben mit Sven Körber und Doreen Wahl unser „dreamteam“ gefunden. Das bewies jetzt gerade die KINDER FERIEN KIRCHE. Beide arbeiten Hand in Hand und kümmern sich in Balve um Angebote für Kinder, Jugendliche, Konfirmanden, Senioren, Mehrgenerationen. Sie bieten gute Gottesdienste (mit Musik) und verlässliche Seelsorge. Unser Mut zum Aufbruch wurde belohnt. Gerade habe wir mit dem Presbyterium und den Beiden eine Klausurtagung in Winterberg gehabt. Ich bin gewiss: Wir sind in Balve für die Zukunft gut aufgestellt – Gott sei Dank!

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