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Märkischer Kreis. Die Betrüger rufen wieder an: Falsche Banker in Kierspe und Lüdenscheid, falsche Töchter und Söhne in Hemer und Schalksmühle, angebliche Gewinnspiel-Veranstalter. Ihre Strategie: Schocken, verwirren und abkassieren! Am Ende wissen viele Opfer gar nicht mehr, was sie in der Aufregung am Telefon verraten haben. Die Polizei rät dringend, solche Anrufer abzuwimmeln. Auflegen ist nicht unfreundlich.

Die Fälle:
Eine 98-jährige Hemeranerin hatte am Montagnachmittag eine schluchzende und weinende Frau am Telefon. Verweinte Stimmen sind nicht ohne weiteres zu erkennen – schon gar nicht am Telefon und von älteren Menschen. Das machen sich die Betrüger zu Nutzen. Ein Mann übernahm am anderen Ende der Leitung das Gespräch und behauptete, die Tochter der Seniorin habe einen schweren Verkehrsunfall verursacht und sitze nun in U-Haft. Aus der könne sie gegen 40.000 Euro Kaution „freigekauft“ werden. Der Mann forderte Bargeld, machte verschiedene obszöne Scherze, gab schließlich auf und legte auf. Ähnliches erlebte am Freitag ein 47-jähriger Schalksmühler. Nur dass sich dort direkt ein angeblicher Polizeibeamter meldete und behauptete, der Sohn habe einen tödlichen Unfall verursacht. Aber auch er könne gegen Kaution freigelassen werden – für 45.000 Euro. Doch der 47-jährige hatte nicht so viel Geld. Nachdem der angebliche Polizeibeamte aufgelegt hatte, sprach der Vater mit seinem echten Sohn – und der Schwindel flog auf.

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Mit der Falschgeld-Masche versuchten es die Betrüger am Freitag mehrfach in Lüdenscheid. Drei Betroffene (91, 88 und 84) erstatteten Anzeige. Bei der 91-Jährigen meldete sich angeblich die Sparkasse. Ihr Sohn habe bei ihnen „Falschgeld“ abgehoben. Die Anruferin habe noch einige andere Dinge behauptet, berichtete die Seniorin später der Polizei. Sie habe deshalb einfach aufgelegt. Das war genau richtig, unterstreicht die Polizei und rät: „Lassen Sie sich keine Märchen erzählen!“ Die Erfahrung sagt, dass immer wieder Menschen den Betrügern zum Opfer fallen, die eigentlich um die Maschen der Betrüger wussten. Doch wer den Tätern Zeit lässt, der glaubt am Ende leider doch die Lügenstorys. Auch bei dem 88-Jährigen meldete sich ein angeblicher Sparkassen-Mitarbeiter. Er beauftragte den Senior, seinen Schmuck zu wiegen und ihm die Seriennummern seiner 50-Euro-Gutscheine durchzugeben. Die müsse er auf Falschgeld prüfen. Die Betrüger sitzen in der Regel nicht allein am anderen Ende der Leitung, sondern oft in regelrechten Callcentern. So reichte auch in diesem Fall der eine Betrüger den Anruf weiter an seine Komplizin. Die schlüpfte in die Rolle einer Polizeibeamtin. Als die auf einen Geldübergabe-Termin drängte, beendete der 88-Jährige das Gespräch. Deutlich kürzer fiel das Gespräch im dritten Fall aus: Auch die 84-jährige Lüdenscheiderin sollte auf Weisung des angeblichen Bankers ihre 50-Euro-Scheine auf Falschgeld prüfen. Außerdem wies der Anrufer die Frau an, die 110 (den Polizeinotruf) zu wählen. Auch an dieser Stelle lauert ein Fallstrick: Wer das laufende Gespräch nicht wirklich und richtig beendet, der kann wählen, was er will: Er bleibt in dem Anruf der Betrüger. Die können nun ganz leicht den Anruf an den Nebenmann im Betrüger-Callcenter verbinden, der sich dann als „Polizei“ meldet. Deshalb der Rat der echten Polizei: Hörer auflegen, langsam und in Ruhe bis 10 zählen, und dann die echte Polizei anrufen!

Im nächsten Fall versuchten es die Betrüger mindestens viermal, um eine 73-jährige Lüdenscheiderin zum Geldüberweisen zu bewegen. Der erste Anruf kam Ende Februar. Die Anruferin bot an, einem kostenpflichtigen Gewinnspiel teilzunehmen. Das lehnte die Seniorin zwar ab. Doch einen Tag später rief eine andere Frau an, um die Unterlagen für das abgeschlossene Gewinnspiel anzukündigen. Es kam keine Bestätigung, doch in der vergangen Woche ein neuer Anruf: Die Anruferin forderte Gebühren für das Löschen der Daten der Seniorin. Wenn sie das nicht zahle, dann laufe das kostenpflichte Gewinnspiel eben ein Jahr weiter. Als beim mindestens vierten Anruf der Sohn der Seniorin ans Telefon ging und Belege forderte, legten die Anrufer auf. Abgebuchtes Geld konnte zurückgeholt werden, so dass in diesem Fall kein Schaden entstanden ist.

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Ein 42-jähriger Kiersper ist die falschen Banker hereingefallen. Wie er schildert, meldete sich eine Bank telefonisch bei ihm. Angeblich gebe es 42 „auffällige“ Umsätze auf seiner Kreditkarte. Der angebliche Bank-Mitarbeiter bot an, die Umsätze zu stornieren. Dafür sollte der Kiersper jedoch eine Überweisung über mehrere Hundert Euro per SecurePlus-ID freigeben. Das tat der Kiersper. Seinen Fehler merkte er erst später und erstattete online Anzeige bei der Polizei.

Manche der Lügengeschichten liest sich vielleicht unglaubhaft. Doch leider sagt die Erfahrung, dass immer wieder Menschen genau auf diese Geschichten hereinfallen. Nicht jeder Betroffene erstattet Anzeige. Opfer, denen ihr Fehler später bewusst sind, überkommt vielleicht sogar Scham. Die Dunkelziffer ist erheblich. Deshalb sollte man sich mit den Tricks der Gauner vertraut machen und zum Beispiel mit älteren Verwandten, Nachbarn oder Freunden immer wieder thematisieren. Der simpelste Rat lautet: Einfach auflegen und sich erst gar nicht in ein Gespräch hineinziehen lassen!

Insgesamt nahm die Polizei im vergangenen Jahr 3000 Strafanzeigen wegen versuchten oder vollendeten Betrugs auf – darunter ein erheblicher Anteil am Telefon. Über 900-mal sollten Senioren betrogen oder bestohlen werden. In 21 mindestens Fällen gelang dies auch. Doch wahrscheinlich wurden gar nicht alle Fälle der Polizei gemeldet. (cris)