Märkischer Kreis/Stadt Balve. Das Gebiet der Stadt Balve wurde nach einem langen Prozess zum 1. 1. 1975 neu gegliedert. Ein einschneidender Schnitt wurde gemacht, in dem auch historische Verbindungen einfach gekappt wurden. Allerdings gehörten die Kirchspiele (Bezirke) Balve und Affeln von 1817 bis zum Jahr 1832 schon einmal zum Kreis Iserlohn, kamen dann aber in den Kreis Arnsberg. Das gesamte Amt Balve gehörte seit 1844 zum Kreis Arnsberg.
Mit der Neugliederung wurde das Amt Balve aus dem kurkölnischen Bereich (Kreis Arnsberg) herausgenommen und dem märkischen Teil des Sauerlandes zugeordnet. Noch schlimmer: Das Amt verlor große Teile ihres Gebietes an die Städte Hemer (Stephanopler Tal), Menden (Gemeinde Asbeck), Sundern (Teile von Mellen/Langenholthausen) und vor allen Dingen Neuenrade (Oberamt, mit Affeln, Altenaffeln und Blintrop). Bereits 1969 wurde in einer Gebietsreform die Gemeinde Küntrop zur Stadt Neuenrade aus dem Amt Balve ausgegliedert. Ohne das sogenannte Oberamt hätte Neuenrade bei der Neugliederung 1975 keine Überlebenschance gehabt.
Ein politischer Kampf um den Verbleib im Kreis Arnsberg in der ursprünglichen Größe des Amtes Balve im Vorfeld der Neugliederungs-Entscheidung wurde verloren. Am 1. 1. 1975 wurden die damaligen Kreise Iserlohn und Lüdenscheid zusammengelegt zusammen mit dem Amt Balve und wurden zum Märkischen Kreis.
In seiner jetzigen Form gibt es den Märkischen Kreis also tatsächlich zum 1. 1. 2025 seit 50 Jahren. Aber auch alle zugehörigen Städte und Gemeinden sind durch die Neugliederung neu entstanden. Ob dies ein Grund zum Feiern ist, bleibt dahingestellt, doch von historischer Bedeutung ist dieser 1. Januar 1975 auf jeden Fall. Daher befragte die Redaktion der HÖNNE-ZEITUNG den aus Mellen stammenden Landrat Marco Voge, Bürgermeister Hubertus Mühling, CDU-Fraktionsvorsitzenden Alexander Schulte, UWG-Fraktionsvorsitzenden Lorenz Schnadt und SPD-Ortsvereinsvorsitzende und Kreistagsmitglied Sigrid Schmidt in Interviews mit gleichlautenden Fragen.
Vor 50 Jahren wurde per Gesetz eine Gebietsreform umgesetzt, die Gewinner und Verlierer hervorbrachte. Die Stadt Balve in der heutigen Form gehörte damals sicherlich zu den Verlierern. Sehen Sie das 50 Jahre danach mit dem entsprechenden Abstand auch heute noch so?
Landrat Marco Voge
Die Gebietsreform war für Balve, aber auch für andere Städte und Gemeinden eine tiefgreifende politische Umgestaltung. Anfangs hat es sicherlich Unsicherheiten und Widerstände gegeben. Aber nach 50 Jahren können wir heute klar sagen, dass Balve Chancen und Potenziale genutzt hat. Von Verlierern würde ich hier nicht sprechen. Es ist wichtig, die positiven Entwicklungen zu sehen: Balve hat durch die Reform seine Eigenständigkeit und Selbstverwaltung behalten.
Bürgermeister Hubertus Mühling
Ich würde zum heutigen Stand nicht mehr von Gewinner oder Verlierer sprechen. Das Hier und Jetzt ist so, wie es ist. Damals waren wir eindeutig Verlierer und dieses damalige Gefühl wirkt auch nach 50 Jahren nach.
CDU-Fraktionsvorsitzender Alexander Schulte
Ich denke, der Blick darauf hat sich über die Jahrzehnte gewandelt. Natürlich gab es damals Stimmen, die den Verlust des Oberamtes als schmerzhaft empfanden. Das war sicherlich ein Einschnitt, und viele fühlten sich zunächst als Verlierer. Aber heute? Heute sehen wir eine Stadt, die stark und eigenständig ist, die ihre Identität bewahrt hat und sich dennoch in den neuen Strukturen wunderbar eingefügt hat. Wir haben uns weiterentwickelt und blicken heute als Stadt mit Stolz auf unsere Ortsteile, unsere Vereine und unsere Wirtschaft. Die Reform hat auch den Weg für Neues freigemacht und das Verhältnis zu den ehemaligen Ortsteilen, die nun zur Stadt Neuenrade gehören, und auch zur Nachbarstadt ist aus meiner Sicht super.
UWG-Fraktionsvorsitzender Lorenz Schnadt.
Ich sehe Balve immer noch als Verlierer. Zum einen sind die Dörfer des Oberamtes (Küntrop, Affen, Altenaffeln) aus der gewachsenen Bindung von Balve nach Neuenrade gewechselt, zum anderen ist Balve in den künstlich geschaffenen Märkischen Kreis gekommen. Betrachtet man nur die Wappen, dann haben alle Städte und Gemeinden des MK rot-weiße Karos, nur Menden und Balve nicht. Die beiden sind kurkölnisch und preußisch seit hunderten von Jahren und gehören geografisch, kulturell und landsmannschaftlich zum Sauerland, also HSK und nicht in den MK. Verlierer sind wir auch deswegen, weil bei uns kaum etwas von der MVG fährt und der Balver in der Regel auch nicht nach Lüdenscheid ins Kreiskrankenhaus, sondern eher nach Hüsten ins Karolinenhospital fährt. Über die Kreisumlage finanzieren wir die Schulden der anderen Städte z.B. Altena, Werdohl u.a.
Kreistagsmitglied Sigrid Schmidt
Vor 50 Jahren sahen sich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Balve als Verlierer bei der Gebietsreform. Vor 50 Jahren habe ich dies, aufgrund meines Alters, nicht einschätzen können. Aus heutiger Sicht, kann gesagt werden, dass es viele Vorteile hat, einem starken Kreis anzugehören. Natürlich dominieren die großen Städte auch im Märkischen Kreis das Handeln, aber die kleineren Kommunen haben schon einiges an Einfluss. Dies ist auch daran zu erkennen, dass aus Balve 3 Vertreterinnen und Vertreter die Politik des Kreises mitgestalten können.
Es war für die politisch Verantwortlichen eine sehr große Herausforderung, so unterschiedliche Kommunen und Infrastrukturen mit so unterschiedlicher Geschichte zusammenzuführen. Dies ist aber nach nunmehr 50 Jahren recht gut gelungen.
Der Märkische Kreis war ja ein neues Gebilde in der NRW-Landschaft. Besondere Kraftanstrengungen waren erforderlich, um alle Städte und Gemeinden unter einen Hut zu bringen. Was meinen Sie, fühlen sich die Menschen im Märkischen Kreis nach zwei Generationen inzwischen ihrem Kreis verbunden?
Ja. Die Region hat sich als eine starke Gemeinschaft etabliert, die die Vorteile der Zusammenarbeit nutzt. Viele denken zuerst an das gemeinsame Nummernschild. Da man es jeden Tag vor Augen hat, ist es ein gutes und wichtiges Zeichen für die Zusammengehörigkeit. Aber der Kreis ist natürlich viel mehr. Über die Jahre sind aus meiner Sicht schon Identität und Heimatgefühl entstanden, auch durch die Unterstützung von Wirtschaft, Kultur, Veranstaltungen und gemeinsamen Projekten. Man fühlt sich heute nicht nur als Bewohner von Balve, sondern auch als Teil des Märkischen Kreises.
Ich denke schon. Auch wenn die historischen Verbindungen aus Balver Sicht in den alten Kreis Arnsberg – vor allem in Richtung Sundern und Arnsberg- nach wie vor stärker sind als eine Verbindung ins Lennetal oder nach Lüdenscheid. Diese alten Verbindungen sind ja viel älter als zwei Generationen Märkischer Kreis und haben uns Balver entsprechend geprägt. Das wird manch anderer Kommunen im Kreis sicher ähnlich so gehen, aber das wirkt in Balve besonders. Was über Jahrhunderte gesellschaftlich geprägt wurde, das wischen nicht 50 Jahre beiseite. Hier muss man vor allem die konfessionelle Seite der Gesellschaften sehen. Kirche und Glauben haben über Jahrhunderte die Grenze zwischen dem kurkölnischen und dem Märkischen Teil des heutigen Märkischen Kreises gezogen.
Ich glaube, dass sich die meisten Menschen mit Balve und ihren Ortsteilen stärker identifizieren als mit dem Kreis – aber das ist ganz normal. Wir sind als Kreis auch historisch und kulturell eher zusammengewürfelt, als zusammengewachsen. Wir Balver sind katholische „Kurkölner“ und fühlen uns in Teilen bis heute eher zum Sauerland zugehörig, als zum „Märkischen“. Beispielsweise bei den Schützen, bei den Fußballern oder auch bei uns Sängern wirken diese Strukturen bis heute nach.
Dennoch hat der Märkische Kreis über die Jahrzehnte eine eigene Identität entwickelt. Aber das braucht natürlich auch Zeit. Wichtig ist, dass wir als Region bei wichtigen Fragen zusammenstehen. Die Krisen und Herausforderungen in den vergangenen Jahren haben das nochmal verstärkt, weil vieles nur gemeinsam auf Kreisebene oder mit den Nachbarstädten geht.
Ich glaube, man hat sich gezwungenermaßen damit arrangiert (man kann es ja sowieso nicht ändern). Eine Liebesbeziehung ist es nicht geworden und wird es auch nicht. Auch finde ich den Namen (Märkischer Kreis) nicht besonders gelungen. Man wird immer angesprochen, ob der Märkische Kreis etwas mit Ostdeutschland, der Mark Brandenburg zu tun hat. Die Grafen von der Mark auf Burg Altena kennt doch niemand und wir aus dem kurkölnischen Teil des Sauerlandes hatten auch nichts damit zu tun.
Denken Sie nur an das Chaos mit dem Autokennzeichen! Erst LS, dann später MK.
Außerdem, wenn man auf den Sport schaut, z.B. Fußball, gelten immer noch die alten Ligen. Dort spielen die Balver Mannschaften traditionell immer noch im HSK. Da denkt niemand daran, in den MK zu wechseln.
Für die meisten Menschen ist der Märkische Kreis Heimat geworden. Selbst meine Generation kann sich kaum noch an die frühere Organisation erinnern. Es gab früher andere Autokennzeichen (in Balve erinnere ich mich an ein AR für Arnsberg), aber von den Veränderungen in der Verwaltung und Struktur war wenig zu merken. Menschen, die um einiges älter sind, werden dies vielleicht noch anders sehen, da sie die großen Veränderungen intensiver mitbekommen habe.
Ich persönlich habe die Neugliederung hautnah damals mitbekommen und das Oberamt trennte sich ungern von Balve und ging in die Stadt Neuenrade über. Man hoffte damals, dass es im Verlauf der kommenden Jahre zu einer Fusion von Balve und Neuenrade gekommen wäre. Dazu ist es nie gekommen. Bedauern Sie dies? Könnten Sie sich das auch heute noch vorstellen?
Die Fusion von Balve und Neuenrade mag damals ein Thema gewesen sein. Aber die Geschichte hat gezeigt, dass beide Städte ihre eigenen Wege gegangen sind – und dabei sehr erfolgreich sind. Die Ortsteile haben ihre eigene Identität und ihre eigenen Stärken. Das spürt man auch heute noch. Und trotzdem sind die Verbindungen zwischen den Menschen, den Vereinen und der Kultur keineswegs abgerissen. Ganz im Gegenteil: Man pflegt bis heute eine enge Zusammenarbeit. So spielt man beispielsweise weiterhin in der gleichen Kreisliga und ist gemeinsam im Kreisschützenbund Arnsberg organisiert. Das zeigt: Grenzen sind keine Barrieren für gelebtes Miteinander.
Die Zusammenarbeit zwischen Städten wird voraussichtlich ein immer größeres Thema in der Zukunft. Hier denke ich an interkommunale Zusammenarbeit, den demografischen Wandel oder die Digitalisierung. Gemeinsame Lösungen und Ansätze sind sinnvoller, als Kirchturmdenken. Aber die grundsätzliche Eigenständigkeit stellt heute keiner mehr in Frage. Tendenzen zu einer erneuten Gebietsreform spüre ich in keiner Weise.
Eine Fusion zwischen Neuenrade und Balve habe ich schon öfter meinen Kollegen in Neuenrade vorgeschlagen! Ich hatte aber immer den Eindruck, dass sie diese Idee nicht so gut finden!
Aber Spaß beiseite; ich weiß nicht, was vor dem Hintergrund des demografischen Wandels demnächst auf uns zukommt, aber wenn wir mal fusionieren müssen oder sollen, dann kann ich mir nur Neuenrade vorstellen. Wir haben einen guten Austausch auf vielen Ebenen, arbeiten eng im touristischen Bereich zusammen, haben oft die gleichen Ansichten und decken mit unseren Stadtgebieten das obere Hönnetal ab.
Damals war die Idee einer Fusion sicher naheliegend, und zwischenzeitlich sah es auch ganz danach aus. Heute aber ist jede Stadt für sich gut aufgestellt und eigenständig – und das ist auch gut so. Balve hat seine ganz eigene Identität und Besonderheiten, genauso wie Neuenrade. Trotzdem verbindet uns bei vielen Themen eine enge Zusammenarbeit. Man merkt: Man kann hervorragend kooperieren, ohne die Eigenständigkeit aufzugeben. Eine Fusion ist daher kein Thema mehr – die Städte funktionieren auf ihrem eigenen Weg wunderbar und ergänzen sich in vielen Bereichen.
Wir wissen doch aus eigenem Erleben, dass es eine imaginäre Grenze zwischen Neuenrade und Balve gibt. Wenn selbst eine schlichte Schulzusammenlegung vor wenigen Jahren scheitert, wie will man denn dann zwei Städte fusionieren. Ich kenne niemanden, der diesen Gedanken verfolgt. Und vorstellbar ist das für mich auch nicht.
Eine Zusammenlegung von Balve und Neuenrade können wir uns heute eigentlich nicht mehr vorstellen. Es gibt einige Bereiche, bei denen die Kommunen gut zusammenarbeiten und sich austauschen. Dies ist gut, wichtig und sollte ausgebaut werden. Aber: jede der beiden Kommunen hat ihre Selbstständigkeit und Eigenheit, die nicht einfach zusammengelegt werden könnte. Schön wäre es, wenn interkommunal weiter zusammengearbeitet werden könnte. Beispielsweise mit einem gemeinsamen Jugendamt, welches gemeinsam viel näher am Menschen arbeiten könnte. Aber es können nur einzelne Kommunen, die größer als 20.000 Einwohner sind, ein eigenes Jugendamt haben.
Wir wollen uns mal auf das Positive beschränken. Welche Vorteile hat Ihrer Meinung nach im Rückblick die Neugliederung für die Stadt Balve gehabt?
Die Stadt hat heute eine stabile wirtschaftliche Basis und die Zusammenarbeit mit anderen Städten und Gemeinden hat das Leben bereichert. Als kleine Stadt hat man auch viele Vorteile, wie ich finde. Man rückt enger zusammen und kann seinen Markenkern besser kommunizieren. Heute ist Balve bekannt und eine echte Marke. Besonders hervorzuheben ist natürlich die Balver Höhle. Sie ist ein touristisches Highlight. Tausende Besucher aus nah und fern sind Jahr für Jahr in der Höhle. Sie tragen die Bekanntheit und Popularität Balves und des Märkischen Kreises nach Deutschland, Europa und in die ganze Welt. Gleiches gilt beispielsweise für das Balve Optimum.
Dass der alte Kreis Arnsberg sehr viele Kreisstraßen im Stadtgebiet Balve angelegt hat, die der Märkische Kreis unterhalten darf.
Die Neugliederung hat Balve im Rückblick durchaus Vorteile gebracht. Sie hat die Grundlage dafür geschaffen, dass wir uns als moderne und eigenständige Stadt weiterentwickeln konnten. Besonders wichtig war die stärkere Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden. Als kleine Stadt haben wir heute die Möglichkeit, gezielt auf unsere Stärken einzugehen und diese nach außen zu kommunizieren – beispielsweise bei unseren touristischen Highlights.
Ich sehe einen Vorteil darin, dass die vorher selbständigen Dörfer heute deutlich mehr in die Stadt Balve integriert sind als vor 1975 in das Amt Balve. Vor 50 Jahren lautete die Antwort auf die Frage woher man kommt: Garbeck. Heute lautet sie: Balve.
Als Teil eines großen Kreises sind die Möglichkeiten größer, Dinge zu bewirken. Beispielsweise im Bereich der Straßen, im Bereich des Rettungswesens kann gemeinsam mehr erreicht werden. Ein großes Ziel war es, eine gerechte und gleichmäßige Versorgung der Bürgerinnen und Bürger hinzubekommen. Dies ist in vielen Teilen schon recht gut umgesetzt, in anderen Teilen z.b. dem ÖPNV ist es noch nicht gelungen. Vielleicht wird dies in dem nächsten Nahverkehrsplan besser umgesetzt. Wir sehen also, es ist auch nach 50 Jahren, noch viel zu tun.
Haben die einzelnen Gemeinden, die in der neuen Stadt Balve aufgingen, 50 Jahre danach ihre Identität behalten können?
Ja, ohne Zweifel. Die einzelnen Städte und Ortsteile haben ihre historische Identität bewahrt und sind weiterhin sehr stolz auf ihre Traditionen. Im Balver Raum sieht man das beispielsweise bei den Schützen. Hier feiern die Bruderschaften und Vereine immer noch den Königs- und Offiziersball zusammen mit Affeln und Küntrop, also dem ehemaligen Amt Balve. Im Sport, Ehrenamt und natürlich auch privat bestehen viele Verbindungen und Freundschaften untereinander. Gleichzeitig haben sie sich in das große Ganze integriert. Oft ist man ja auch zuerst mit seinem Dorf oder Ortsteil verbunden. Dann kommen die Stadt und der Kreis.
Definitiv ja. Eine Kommune mit seiner langen, langen Geschichte geht ja nicht mit seiner Identität in eine Verwaltungsebene wie dem Kreis auf.
Absolut! Alle unsere Ortsteile haben ihre Traditionen und ihren Charakter bewahrt. Das sieht man an den Schützenfesten, an den aktiven Vereinen oder insgesamt am Ehrenamt, das in jedem Ortsteil eine große Rolle spielt. Diese Besonderheiten zu stärken und die einzelnen Dörfer zu Stärken, ist uns als CDU immer ein wichtiges Anliegen. Gleichzeitig hat die Neugliederung dafür gesorgt, dass wir heute als Stadt zusammengewachsen sind. Es ist eine Balance aus bewahrter Identität und Gemeinschaftssinn entstanden, die uns ausmacht. Jeder Ortsteil ist stolz auf seine Geschichte – und das ist auch gut so.
Das glaube ich schon, aber in einem vernünftigen Rahmen. Das Konstrukt der Ortsvorsteher dokumentiert auch politisch eine gewisse Selbstständigkeit.
Hier kann ich nur für die Stadt Balve sprechen: natürlich ist mit dem Oberamt ein Teil von Balve weggenommen worden. Trotzdem konnte die Stadt Balve mit den Ortsteilen sich zu einer lebenswerten Stadt weiterentwickeln und hat eine eigene Identität behalten oder besser eine Identität gemeinsam entwickeln können. Trotz der gemeinsamen Stadt, in der wir leben, haben unsere Dörfer ihre eigene Identität erhalten können und haben die auch in eine gemeinsame Identität eingebracht. Dass wir als politische Verantwortliche die Dörfer ebenso stärken (siehe die Programme der letzten Jahre) wie die Kernstadt, ist allen ein großes Anliegen.
Haben Sie von Ihren Eltern, Großeltern usw. irgendein Döneken gehört, das die Neugliederung betrifft?
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Nein, außer dass es immer wieder beklagt wurde und wird, dass gerade das s.g. Oberamt des alten Amtes Balve aus dem Stadtgebiet ausgelöst wurde.
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Ich war Schildträger beim Umzug 800 Jahre Dorfjubiläum Garbeck (wenige Monate vor der kommunalen Neuordnung). Vorne im Festzug fuhr ein Traktor mit Frontlader und einem großen Schild, auf dem stand: Garbeck Statt Balve!
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Warum macht man in Balve keine „Geburtstagsfeierlichkeit“? Schließlich war es einer der bedeutendsten Einschnitte für die Region – weg vom Kreis Arnsberg, Verlust von großen Gebieten mit mehr als 1000 Bewohnern. Oder haben Sie Sorge, dass es auch 50 Jahre danach lediglich eine Feier würde, in der man nur das Negative sehen würde?
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Eine Geburtstagsfeier darf das Geburtstagskind ausrichten und das ist der Märkische Kreis. Dies wird meines Wissens nach in 2025 auch geschehen.
Ich glaube, das Thema Gebietsreform spielt heute kaum noch eine Rolle im Alltag der Menschen. Wir feiern unsere eigenen Jubiläen in den Ortsteilen – wie zuletzt in Garbeck – oder auch der Stadt. Der Kreis richtet eigene Feierlichkeiten zu seinem Geburtstag aus.
In der Tat! Ich finde, die Bindung innerhalb Balve ist deutlich enger geworden. Die organisatorische Zuordnung zum MK ist allerdings kein Grund zum feiern.
Eine eigenständige Feier zur 50-jährigen Zugehörigkeit der Stadt Balve zum Märkischen Kreis wäre schon eine große Sache. Aber: in unserer aktuellen Haushaltslage ist eine solche Feierlichkeit nicht angebracht. Im Rahmen der Ehrung verdienter Bürger könnte unsere „50-Jahr-Feier“ mit eingebracht werden. Die wäre ein würdiger Rahmen. Ich glaube, wir haben in diesem Jahr mit der Bundestagswahl und der Kommunalwahl viel vor. Hier gilt es, unsere demokratischen Strukturen zu stärken und vor Extremisten zu schützen.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage, sofern Sie selbst das Alter der Stadt Balve überschritten haben. Wie haben Sie die Neugliederung privat miterlebt? Hat das in irgendeiner Weise Einfluss auf Ihr Leben gehabt?
Bekanntlich bin ich eine Generation später geboren und habe die Neugliederung nicht persönlich miterlebt. Folglich bin ich schon im neuen Märkischen Kreis aufgewachsen. Eine prägende Erinnerung war das kleine gelbe Buch über den MK im Sachkundeunterricht. Hier haben wir alle Städte und Gemeinden auswendig gelernt. Das war und ist bis heute für viele der erste Kontakt. Deshalb haben wir zuletzt übrigens auch extra eine Internetseite für Kinder ( www.kids-mk.de ) erstellt. Für viele ältere Generationen war diese Zeit sicherlich ein tiefgreifender Umbruch. Es ist aber faszinierend, wie aus dieser Phase der Unsicherheit und Veränderung im Nachhinein eine stabile und zukunftsfähige Struktur hervorgegangen ist. Als Landrat sehe ich, wie wichtig es ist, aus den damaligen Erfahrungen zu lernen und die Zusammenarbeit über kommunale Grenzen hinweg weiter zu stärken.
Ich war damals 10 Jahre alt und habe mich zu der Zeit nicht um die Gebietsreform gekümmert. Ich bin aber damals sehr wohl schon gerne nach Neuenrade in das Freibad gefahren.
Ich selbst habe die Neugliederung nicht bewusst miterlebt, da ich erst 1978 geboren wurde. Ich weiß aber, dass mein Opa Ernst dem Kreistag des Altkreises Arnsberg angehörte. Die Erzählungen aus meiner Familie zeigen, wie groß die Veränderungen damals waren. Mein Vater Vinzenz war bei der Feuerwehr schon damals in einer Führungsposition und musste sich an die neuen Strukturen anpassen. Beruflich war er ohnehin als Zimmermann oft in Dahle, Evingsen oder Altena unterwegs, sodass ihm der Übergang leichter fiel.
Wie schon zuvor erwähnt, gefallen mir die Effekte innerhalb von Balve. Zu Behördengängen (Auto anmelden, Waffenbesitzkarte, Jagdschein usw.) muss ich jetzt idR nach Lüdenscheid fahren bzw. Iserlohn. Beide Orte sind von Balve eher schlecht zu erreichen. Da wäre Arnsberg oder Neheim-Hüsten schon ein Vorteil.
Ich war bei der Neugliederung ein kleines Kind und habe dies nicht wirklich miterlebt bzw. kann mich an keinen Einfluss auf mein Leben erinnern (außer, dass ein anderes Nummernschild am Auto meiner Eltern war… )
Die Interviews führte Roland Krahl per E-Mail
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