Anzeige

entnommen der gedruckten Ausgabe der Hönne-Zeitung –

Balve. Man wolle sich mal kennenlernen. Unter dieser Prämisse lud mich Sven Körber gemeinsam mit seiner Frau Doreen Wahl (Foto) auf Kaffee in die evangelische Kirchengemeinde ein.
Sven Körber ist Gemeindepädagoge und folgt damit Antje Kastens, die zuletzt das Amt der Gemeindepfarrerin bekleidete. Sowohl er als auch seine Ehefrau haben eine Ausbildung als Gemeindepädagogen genossen. Während Doreen Wahl nun die Stelle der Jugendreferentin bekleidet übernimmt Sven Körber alle pastoralen Aufgaben. Dies umfasst unter anderem auch die Gestaltung der Gottesdienste. In dem etwa einstündigen Gespräch plaudern wir in lockerer Atmosphäre über die Situation der evangelischen Kirche in Balve.
Wie in allen Kirchen sei die Anzahl derer, die sich einbringen, rückläufig; immer weniger Menschen wollten Pfarrer werden, daher hieß es nach dem Ausscheiden aus dem Amt von Frau Kastens neue Wege zu gehen. Etwa zeitgleich wurde in Deilinghofen die Stelle des Gemeindepfarrers vakant. Man entschloss sich, diesen neuen Weg gemeinsam zu gehen. Auch, weil so zwei 100% Stellen zur Verfügung gestellt würden, erklärt Körber.
Allerdings mit einer kleinen aber entscheidenden Einschränkung: eine Stelle ist die eines Pfarrers, eine die eines Gemeindepä­dagogen. Ob dies wirklich eine Einschränkung sein muss, wird die Zeit zeigen.
Jedenfalls habe man sich entschlossen die Stellen so aufzuteilen, dass jeder Ort „ein Gesicht“ erhalte. So arbeitet im „interprofessionellen Pastoralteam“, wie sich das Gespann aus Gemeindepfarrer und Gemeindepädagogen im Kirchendeutsch nennt, Pfarrer Thomas Ehlert vornehmlich in Deilinghofen, während Sven Körber in Balve verantwortlich zeichnet.
Dass Ehefrau Doreen Wahl als Jugendreferentin in Balve angestellt ist, ist eine weitere Besonderheit. Das Presbyterium, dass unter der Leitung von Lars Beuter aus Ehrenamtlichen bestehe, die die Kirchengeschicke leiten, habe sich für eine Eigenfinanzierung der Stelle entschieden: „Weil ihnen die Jugendarbeit so wichtig ist“, betont Wahl.
Interessant in dem Zusammenhang: Während ein Pfarrer als geborenes Mitglied des Presbyteriums ein Stimmrecht hat, bleibt dies Körber als Gemeindepädagogen verwehrt. Allerding sei er beratendes Mitglied. „So weit ist die evangelische Kirche dann auch noch nicht“, sagt Jugendreferentin Wahl zu diesem Umstand.
Lässig gekleidet in Hoodie und Jeans erzählt Körber von seinen Aufgaben. Er komme aus dem CVJM-Bereich und sei daher geprägt von Gruppenarbeit. Antje Kastens habe hier einen anderen Ansatz verfolgt, den er aber persönlich auch sehr spannend finde. Für sie sei besonders die Einzelperson in den Fokus gerückt. Vier bis fünf Hausbesuche in der Woche seien da keine Seltenheit gewesen. Hier gehe es um Seelsorge oder Trauerbegleitung.
Es gebe aber auch einen Besuchsdienst von Ehrenamtlichen, die die ab 80-Jährigen anlässlich ihres Geburtstags besuchen. Bei diesen Gelegenheiten lerne man viel über die Menschen. „Unser Ziel ist, dass Menschen hier hinkommen und sich wohlfühlen.“
Wenn Körber von Protestanten in Balve spricht, benutzt er das Wort Diaspora. Ursprünglich meinte das Wort die jüdischen Siedlungen, die nach dem Untergang des Reiches Juda im Babylonischen Exil entstanden. Körber spielt hier auf die Unterpräsenz der evangelischen Gemeinde in Balve an. „Unsere evangelische Gemeinde ist kleiner als jede katholische Gemeinde auf den Dörfern“. Historisch gewachsen, nennt man das wohl. Christian Linder würde sagen: „Balve ist so schwarz, dass man tagsüber das Licht anmachen muss“.
Doch die Außenseiterrolle schreckt ihn nicht ab. Er und seine Frau wohnen in Deilinghofen, das früher zum Königreich Preußen gehörte und damit eher evangelisch geprägt im krassen Gegensatz zum kurkölnischen und erzkatholischen Balve steht. Auf die Frage, warum man unter diesen Umständen ausgerechnet die pfarrliche Verbindung Balve/Deilinghofen gewählt habe, hat das Ehepaar eine profane Antwort: Die Stellen mussten relativ zeitgleich besetzt werden.
Beide sehen allerdings auch die Schwierigkeiten, die die Verbindung birgt. „Es gibt für die Kinder nicht mal eine Busverbindung“. Von daher wirkt es erstmal wie die richtige Entscheidung durch die Installation jeweils eines Hauptamtlichen in Deilinghofen und Balve eine gewisse Autarkie zu gewährleisten, auch wenn man natürlich die Zusammenarbeit beider Gemeinden forcieren wolle, beispielsweise durch Gastpredigten.
Was für Katholiken schwierig nachvollziehbar sein dürfte: Was befähigt einen Gemeindepädagogen und somit einen vermeintlichen Laien die pastoralen Aufgaben zu übernehmen? Bevor er nach Balve kam, habe Körber bei der Evangelischen Kirche Westfalen gearbeitet. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe er viele Fortbildungen besucht, die ihn qualifizierten die pastoralen Tätigkeiten zu erfüllen.
Anders als in der katholischen Kirche stehe das Abendmahl nicht im Zentrum des Gottesdienstes. Als evangelischer Pastor muss man also keine Wandlung halten. Diese kommt im evangelischen Kirchenverständnis nicht vor. Das Abendmahl geschieht im Gedenken an das letzte Abendmahl der Jünger mit Christus, aber nicht als Aufnahme des buchstäblichen Leibes Christi.
Der Schwerpunkt im evangelischen Gottesdienst liege eher auf der Verkündigung des Wortes. Abendmahl feiere man an jedem ersten Sonntag und am letzten Freitag des Monats im Rahmen eines besonderen Gottesdienstes.
Doch auch über das Feiern der Gottesdienste hinaus haben die beiden viel vor, auch wenn sie zunächst tiefstapeln und sagen, 2024 sei vielleicht einfach nochmal ein Jahr des Ankommens. Dafür haben sie allerdings viel auf der Agenda. Im Sommer sei eine Jugendfreizeit in die Toskana geplant, aus einem Mitsing-Workshop im vergangenen Jahr seien zwei eigene Kompositionen mit eigenen Texten entstanden, die grad bei KRD Musik im Tonstudio in Langenholthausen produziert würden. Außerdem solle dem Familiengottesdienst ein Mehrgenerationen-Gottesdienst folgen.
Am Ostermontag gäbe es einen besonderen Gottesdienst mit Frühstück und am Pfingstmontag wandere man zum SGV-Wanderheim „Ewald Hagedorn“, kurz: SGV Hütte oberhalb der Balver Höhle um dort gemeinsam Gottesdienst zu halten. Außerdem gäbe es ein Ferienprogramm und eine Musikreihe sei geplant.
Die Begeisterung der beiden ist ansteckend. Nachdem ich meinen Kaffee ausgetrunken und meinen Snack aufgegessen habe, gehe ich nach Hause und weiß, dass ich auch in Zukunft einiges über die Aktivitäten der Evangelischen Kirche in der Balver Dias­pora zu berichten habe. DP

Anzeige