entnommen der gedruckten Ausgabe der HÖNNE-ZEITUNG
Balve. Alfons Rath hat in seiner Serie „Erlebte Geschichten“ passend zur bevorstehenden Kommunion am 15. April geschrieben, wie er am Sonntag, 1. April 1951, 8 Uhr, in die Pfarrkirche St. Blasius in Balve mit zur 1. Heiligen Kommunion „geführt worden“ ist.
Die Kirche sah innen deutlich anders aus, hatte einen anderen Hochalter, der ein bisschen an einen Waschsalon erinnerte. Ein breiter Mittelgang führte zum Altarraum, an den Wänden waren kurze Bankreihen aufgestellt. Vor der rechten Säule war eine Kanzel (mit „Deckel“) errichtet, von der der Priester (auch ohne Mikrofon) seine „Schäfchen“ auch schon mal kräftig zusammen“donnerte“.
Im Kuppelbereich hinten rechts und links waren die Schwesternbühne (für die Nonnen aus dem Krankenhaus) und die Orgelbühne (für den stimmgewaltigen Organisten Pröpper, oft unterstützt vom Kirchenchor) installiert. Die alte Kirche hatte keine Bänke, wohl das „Fernwerk“ der Orgel. Die Heizung in der alten und neuen Kirche war mau. Bis zur Kanzel gab es Bankreihen, mit Sitz- und Kniebänken.
Davor, zwischen den beiden Säulen, befanden sich 6 Stück (je 3 x 2 rechts und links) tragbare Kniebänke für die Kinder der ersten drei Schuljahrgänge (Schubste der hinterste den Vordermann – bewusst oder unbewusst, gab das einen Domino-Stein-Effekt, und zwar auch noch vor ihm nach rechts und links. Ab Volksschulalter mussten alle Rath`s Blagen jeden Tag in die Messe. Auch in den Ferien! Ausschlafen? Geht abends früher ins Bett! Ab Herbstferien (3. Schuljahr) war einmal die Woche nachmittags bei Pfarrer/Dechant Böddicker „auf dem Kirchensaal“, Unterricht für die Erstkommunionkinder!
Sollte er Probleme mit diesen Kindern haben, machte er auch Hausbesuche bei den Eltern! So tauchte er, sehr zum Leidwesen, bei Mutter auf und nahm Platz im Ohrensessel. Mein Bruder Rudolf und ich standen brav und artig vor ihm.
ER: Ob Rudolf mit zur Erstkommunion gehen könne, wüsste er noch nicht! Denn Rudolf wäre verbotenerweise auf dem Kirchplatz über den Rasen gelaufen! Dieses schwierige Thema klärte eine Maus, die plötzlich zwischen seinen Beinen auftauchte. Unser Jagdfieber siegte! Kopfschüttelnd und leicht grinsend verließ er das Haus.
Auch Rudolf wurde Kommunionkind. Da wir eine katholische Volksschule besuchten, war jeden Morgen gemeinsames Gebet und in der ersten Stunde Religionsunterricht. Dazu wurden noch Hausaufgaben erteilt.
In unserer Klasse bewegten sich ca. 55 Kinder, die beschäftigt werden wollten – oder auch nicht. Zunächst erfolgte bei Fräulein Lange und auch Dechant Böddiker Unterricht für die erste Beichte. Einzelheiten – mehr oder weniger dicke Sünden – weiß ich nicht mehr. Aber die zu beichtenden Sünden wurden auf einen Zettel geschrieben.
Einer hat sogar seinen kompletten Namen mit aufgeschrieben, was der Dechant aber lachend für vollkommen überflüssig befand. Aber wichtig war: Die Sünden mussten auswendig gelernt werden. Er hat sogar während der Beichte Kinder in die alte Kirche geschickt, „um alles auswendig zu lernen“.
Der „Beichtvater“ hatte meist ein Tuch in der Hand! Warum? Beichtgeheimnis?! Vikar Wickl beauftragte mal am Ende der Beichte Berthold Streiter: Bringst Du mir gleich eben die …Zeitung nach Hause! –
Irgendwann war dann die 1. heilige Beichte. Einige Jahre später: Ich hatte zu wenig Sünden auf meinem Zettel und habe dann „Schundhefte gelesen“ der Liste hinzugefügt. Konnte nicht so schlimm sein, denn ein paar Positionen später beichtete ich ja auch: ich habe gelogen!
Bei dem Begriff „Schundhefte“ ist Vikar Wickl doch sehr stutzig geworden! Weihnachten, Neujahr, Karneval, Fastenzeit vorbei und es nahte der Weissensonntag.
Ich will nicht berichten, womit sich Mutter in der Zeit bekümmert, vorbereitet oder verrückt gemacht hat; sie war gründlich und es sollte ja alles passen und ein Festtag werden. Ein Bleyle-Anzug wurde bei Gercken gekauft, Hemd und Kniestrümpfe dazu. Schwester Agnes zum Engelchen ausstaffiert mit Kerze und meinem neuen Gesangbuch „bewappnet“. Bei Foto Engel, der ja im Hause wohnte und arbeitete, ein Termin gemacht. Jede Menge Kuchen gebacken oder beschafft. Schlafmöglichkeiten für auswärtige Verwandtschaft besorgt und verteilt, und, und …
Samstags vor Weißen Sonntag wurde nochmal gebeichtet. Am liebsten hätten mir meine Eltern danach den Mund zugeklebt und mich angebunden! Weissensonntag, 1. 4. 1951: Endlich!
Nüchtern (ohne Frühstück) zur Kirche. Ich glaube zum Kirchensaal oder jetzigen Sebastianklause. Ab da mit „Führ-Engel“ in langen Reihen, Kerze in der Hand in die Pfarrkirche. Mein Platz war in der zweiten Reihe. Vor der Kanzel – rechts von mir saßen Erwachsene.
Den ersten Platz hatte sonntags oft auch den gleichen Nachbarn: Glasmacher, Engelbert, ca. 89 Jahre mit Hörgerät (?) und Sitzkissen. Die „persönlichen Engelchen“ fanden auf den vorgenannten, kleinen Bänken ihren Platz.
Zur 1. hl. Kommunion wurden wir von den „Führengeln“ zum Altarraum gebracht. Im Chorraum hielten Messdiener ein Kommunionbank-Tuch gespannt (niedriger als die Kommunionbank, damit auch die Kleinsten „zum Tisch des Herrn“ ) konnten.
Nach dem Empfang der hl. (Mund-)Kommunion ging es zurück in die Bank. Für diese „Wegstrecke“ hatte uns Fräulein Lange das Kurzgebet „Mein Herr und mein Gott“ eingebläut! Und ich hatte vergessen es zu beten. Schon der erste Fehler. Oder sogar eine Sünde? –Das fing ja gut an!
Zu Hause: Große Gratulationsfeier mit Familie, Verwandtschaft, Nachbarschaft, und, und …
Es gab silberne Manschettenknöpfe, diverse Blumen, Sammeltassen, Gesellschaftsspiele, 12 Mark insgesamt, Fotos bei Engel wurden gemacht und für das obige Geld eine AGFA-Box gekauft.
Der Tag ging wie folgt weiter:
14 Uhr Andacht, ca. 16 Uhr Kaffee, 18 Uhr Kreuzweg über den Husenberg, danach Abendessen .
Dann zogen sich die Erwachsenen „zur gemütlichen Runde“ zurück. Wir Kinder auch. Im Laufe des Abends habe ich erstmals versucht Zigarre zu rauchen.
Montags morgens noch einmal gemeinsame Messe im „feinen Zwirn“, dann sofort nach Hause und „fliegender Zeug-Wechsel“ und nix wie raus!
Rudolf Rath bei seiner 1. heiligen Kommunion, zusammen mit Schwester Agnes. Wen treff ich als erstes? Pastor Böddicker. Er sieht einmal an mir runter und meint lachend: „So gefällt dir das besser!“
Von der Kirchengemeinde bekamen wir ein Foto der Pfarrkirche mit Text: „Bleib treu Deiner Heimat, treu Deinem Gott, treu Deiner Kirche, im Leben und Tod.“