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entnommen der gedruckten Ausgabe der Hönne-Zeitung –

„Hurra, Hurra, der Wolf ist da!“, scheint einhelliger Tenor zu sein, zumindest wenn man sich einen Großteil der Kommentare durchliest, die in den sozialen Medien anlässlich der aktuellen Berichterstattung der HÖNNE-ZEITUNG bezüglich einer mutmaßlichen Wolfssichtung am Benkamp gepostet wurden. Die Rückkehr eines der größten Raubtiere der deutschen Geschichte ist ohne Frage ein hochemotionales Thema.
Die Lager scheinen klar: Auf der einen Seite diejenigen Tierschützer, die zurück zur Natur und dem Wolf das vom Menschen geraubte Land zurückgeben wollen, auf der anderen Seite solche, die nur den eigenen Profit sehen und am liebsten alles totschießen würden.
Gut gegen Böse, wie beim Rotkäppchen. Oder doch nicht? Fakt ist: Von ursprünglicher Natur ist in unseren heimischen Gefilden nicht mehr viel übrig. Fünf Fichten machen noch keinen Urwald. Im Gegenteil. Seit nunmehr 200 Jahren werden die Sauerländer Wälder mit Fichten als Kulturpflanzen bewirtschaftet. Eine ganze Region stützt sich auf die Forstwirtschaft. Das kann man grad mit Blick auf Klimawandel, Borkenkäfer und ähnliche Probleme sicherlich kritisch sehen, stellt sich aber aktuell erst einmal als Faktum dar. Natur war vorgestern.
Der Wolf kehrt also keineswegs in sein natürliches Refugium zurück, aus dem der Mensch ihn vor rund 120 Jahren endgültig gewaltsam vertrieben hat. Dies wäre zunächst einmal unerheblich, solange der Wolf in der Lage ist, sich in diesen Kulturwald einzufügen. Aber was hat dies für Konsequenzen für den Menschen?
Lange bevor der erste Wolf in Balve gesichtet wurde, gab er bereits seine Visitenkarte ab. 2020 wurden in Langenholthausen vier Schafe eines Balvers nachweislich von einem Wolf gerissen. „Wer sich Tiere hält, muss diese auch entsprechend schützen!“, heißt es schnell auf Facebook und Co. Zunächst einmal sind Tierhalter dieser Verantwortung bereits vor 120 Jahren nachgegangen, als sie den Wolf in Deutschland ausrotteten. So hart es klingt, war genau das jetzt geforderte damals die Hauptmotivation für den Abschuss.
Außerdem tückisch: Diese Aussage suggeriert, dass Tierhalter ihr Vieh generell und ausschließlich zum eigenen Vergnügen hielten. Dies ist aber mitnichten der Fall. So lange in unserer Gesellschaft der Verzehr von Fleisch, Milch, Joghurt und Käse noch gelitten ist, wird die Tierhaltung notwendig bleiben. Ein weiterer Aspekt ist die Landschaftspflege beispielsweise durch Schafe. Ein zusätzliches Problem für die Halter: empfohlene Schutzmaßnahmen werden immer wieder nach oben korrigiert, weil der Wolf sich dann doch als potenterer Jäger herausstellt als gedacht.
Selbst NABU räumt auf seiner Website ein, dass man Weidetiere nicht 100-prozentig gegen Wolfsübergriffe schützen kann. Da bringen auch Schutzzaun und Herdenschutzhund nicht immer was. Und ist der Wolf einmal in der Herde, zeigt er was er kann. Ein einzelner Riss ist die Ausnahme, häufig werden mehrere Tiere gerissen und liegen gelassen oder auch nur verletzt.
Mit welchem Argument hat der Wolf an dieser Stelle also einen höheren Schutz verdient als ein Schaf, eine Ziege, ein Kalb oder ein Pferd? Letztlich treibt das die Viehhaltung zurück in hermetisch abgeriegelte Ställe. Genau das, was von genau derselben Bevölkerungsgruppe, die zum Wolfsschutz auffruft, eben auch nicht gewünscht wird. Natürlich lässt sich argumentieren, dass ein Großteil der Tiere eh irgendwann geschlachtet würde. Aber Deutschland hat nicht umsonst eines der restriktivsten Tierschutzgesetze der Welt, sodass bei der Schlachtung eben möglichst wenig Tierleid entsteht.
Dieses Gesetz gilt übrigens auch für Wildtiere. Es ist ein Unterschied, ob ein Reh friedlich grasend vom Jäger gestreckt wird und binnen Sekunden verendet oder ob es zu Tode gehetzt und schlussendlich zerrissen wird – zumindest für das Reh. Mancher stellt sich die Hatz zwischen Beute und Jäger dann vielleicht doch etwas zu romantisch vor – die viel beschworene Bambiisierung der Gesellschaft.
Im Übrigen bin ich gespannt, wie es in den sozialen Medien heißt, wenn nicht das liebe Vieh des vermeintlich reichen Bauern betroffen ist, sondern Otto Normalverbrauchers Hund oder Katze. Mit Tierschutz im Wortsinn hat der Wolfsschutz also erstmal nichts zu tun.
Was Wolfsschutz allerdings tatsächlich darstellt, ist Artenschutz. Aber stellt der Wolf eine bedrohte Art dar? In Deutschland sicherlich. Im Rest der Welt wohl eher nicht. Festgehalten sei aber auch: Wenn allzu plakativ das Bild vom kinderfressenden bösen Wolf gezeichnet wird, wie es oft von Wolfsgegnern getan wird, kann dies auch nicht richtig sein.
Aber was ist, wenn andere, tatsächlich für den Menschen gefährliche, ehemals ansässige Tierarten ihr Geburtsrecht ebenfalls zurückfordern und plötzlich Heimweh nach Deutschland bekommen? Wird der Braunbär auf Social Media genauso willkommen geheißen? Schließlich war auch er bereits lange vor dem Menschen hier.
Natürlich handeln viele der auch teils lautstarken Wolfsgegner im Eigeninteresse. Allen voran die Jäger, zu denen ich mich auch zähle. Das ist aber noch lange kein Grund auf Facebook in menschenverachtender Weise zu fordern, dass diese „selbst abgeschossen“ gehörten. Ich kann die Jägerschaft verstehen. Man pachtet kostenintensiv ein Revier, stellt alles an um sein Wild zu hegen – natürlich mit dem Ziel letztendlich Beute zu machen und dann kommt der Wolf und macht einem einen Strich durch die Rechnung.
Der Wolf jagt die Reviere nicht leer, aber das Wild wird heimlicher und somit für den Menschen auch schwieriger zu bejagen. Klar kann man sagen, dass dies der natürliche Kreislauf der Natur ist. Aber eines sei dann auch gesagt: Die Natur kennt weder Jagd- noch Schonzeit, keinen Muttertierschutz, keine möglichst schmerzfreie Tötung und auch keine Hege.
Alles Dinge, denen sich die moderne Jagd unterwirft, um sich möglichst nachhaltig und tierschutzgerecht zu gestalten. Der Wolf bewirbt sich also bei uns um eine ökologische Nische, die bereits lange besetzt ist und das im wahrsten Sinne des Wortes humaner: nämlich vom Jäger.
Ist es nicht schön, wenn sich der Mensch auch mal als Teil der Natur versteht? Wenn die Jäger als Faktor im Wald von heute wegfielen, entstünden auch ganz andere Ungleichgewichte: Der Wolf spricht nicht mit dem Waldbesitzer und macht sich dafür stark wildschonend zu wirtschaften. Im Gegenteil: Ist der Jäger weg, entgeht ihm durch die Pacht eine Einnahmequelle, die er mutmaßlich durch noch intensivere Bewirtschaftung zu kompensieren sucht. Erhalt durch Nutzung hat sich schon immer als gute Strategie herausgestellt.
Schlussendlich ist zu sagen, dass ich mich sicherlich freuen würde, mal so ein außergewöhnliches Tier in der freien Natur zu beobachten. Noch mehr freute ich mich, wenn das in einer Umgebung geschehen würde, in der Wolf und von seiner Anwesenheit betroffene Menschen nicht in einem derartigen Spannungsfeld zueinander stünden.
Der absolut priorisierte Schutz einer Tierart auf Kosten der damit Konfrontierten führt niemals zu Akzeptanz, genauso wie die für Fakten blinde Willkommenskultur, von Menschen, die oftmals gar keine Berührungspunkte mit dem Neuankömmling haben. Akzeptanz ist aber Grundvoraussetzung für eine kluge Wiederansiedlung des Wolfes und die braucht Regulierung. Ohne diese werden die daraus resultierenden Probleme auch zum Akzeptanzverlust bei heutigen Befürwortern führen und letztlich zur erneuten Ausrottung oder zumindest Kasernierung des prächtigen Tieres.
Man denke an die missglückte Wiederansiedlung der Wisente im Siegerland. Wenn man nicht heute durch Regulierung für die Akzeptanz bei den betroffenen Landwirten, Jägern und Tierhaltern sorgt, erweist man dem Wolf letztlich einen Bärendienst. Daniel Pütz

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