Balve. Den Spruch von Johann Wolfgang von Goethe „Eine Chronik schreibt nur derjenige, dem die Gegenwart wichtig ist“, könnte man leicht abgewandelt auch für Reimund Schulte vom Stadtarchiv anwenden: „Eine Chronik digitalisiert nur derjenige, dem die Gegenwart wichtig ist“. So hat der städtische Archivar zusammen mit der Museumsleiterin Ulrike Knips schon einiges Geschichtliches im Archiv aufgearbeitet.
Jetzt übergaben die beiden einen Stick, voll mit digitalen Daten der Chronik der evangelischen Schule in Balve. Wer sich nun die Frage stellt, was hat das städtische Archiv mit kirchlicher Schule zu tun, erhält als Antwort, dass das Schulwesen zumindest nach dem Krieg in staatlicher Hand gelegen hat und daher die Unterlagen im Stadtarchiv lagern. Und tatsächlich beginnt die Geschichte der evangelischen Kirche mit dem Ende des Krieges.
1945, so sagt die Chronik, gab es 107 Schülerinnen und Schüler, die evangelisch waren. Die Gründung der Schule geht auf eine Elternbefragung der britischen Besatzungsmacht zurück: Bekenntnis- oder Gemeinschaftsschule? Die katholische Kirche wollte eine Bekenntnisschule, die evangelische ein Gemeinschaftsschule. So wurden zwei Schultypen in dem jetzigen VHS-/Bücherei-Gebäude eingerichtet. Da aber in der Gemeinschaftsschule nur evangelische Kinder angemeldet wurden, änderte sich das schon nach einem Jahr und erster Rektor der evangelischen Schule war Josef Neils von 1946 an, dem dann 1959 Horst Gebhardt folgte, der noch vielen Balverinnen und Balvern ein Begriff ist.
Wahrlich stiefmütterlich wurde diese Schule behandelt. Ein Lehrer unterrichtete die Schülerinnen und Schüler, die in einer Klasse zusammengefercht waren. Erst am 16. Januar 1951 ging es in die neuen Räumlichkeiten direkt neben der katholischen Schule, der „alten Röhrenschule“, die vor dem Krieg schon eine Schule war. Das Gebäude stand dort, wo jetzt der Musikverein sein Domizil hat. Dort gab es ein wenig mehr Platz, trotzdem mussten auch hier mehrere Klassen in einem Raum unterrichtet werden.
Die Bekenntnisschulen verloren ihren Status mit dem Neubau der Schule am jetztigen Standort der Grundschule St. Johannes. Ab 1969 gibt es in Balve keine Bekenntnisschule mehr. Archivar Reimund Schulte betonte dabei allerdings „in Balve“, das damals eine eigenständige Gemeinde war. Denn in Garbeck gibt es heute noch die Katholische Grundschule, die allerdings auch evangelische Kinder aufnimmt.
Diesen kleinen Exkurs in die Geschichte erhielten Gemeindepädagoge Sven Körber und der zukünftige Archivar der evangelischen Kirche, Oliver Prior. Er übernimmt das Amt von Herbert Matzke, der, so Reimund Schulte, einiges beitragen konnte, an diesem Tag allerdings wegen Krankheit nicht kommen konnte.
Die Geschichte der evangelischen Schule ist nun digitalisiert. Das hat Reimund Schulte in den vergangenen drei Jahren immer wieder gemacht, wenn es die Zeit zuließ. Auf einem Stick wanderten nun diese wichtigen Daten in die Hand von Oliver Prior. Er wird in Kürze das Amt des evangelischen Archivars übernehmen. Sein Ziel ist es, auch das Archiv der evangelischen Kirche in Balve auf ein digitales Level zu heben.
Reimund Schulte hingegen hat weitere Projekte im Anstich, so auch die Digitalisierung der Geschichte der katholischen Schule in Balve. Dort hat er bereits angefangen, kommt aber nicht weiter voran. Es fehlen ihm geschichtsträchtige Daten von vor 1963. „Vielleicht kann da jemand helfen, das wäre schön“, hofft er auf Unterstützung. Dann könnte es schon bald eine weitere Übergabe von Geschichtsdaten an die katholische Kirchengemeinde Balve geben. kr
Titelfoto: Oliver Prior (l.) und Sven Körber (r.) nahmen von Ulrike Knips und Reimund Schulte die digitalisierten Daten der Geschichte der evangelischen Schule in Balve entgegen. Fotos: Roland Krahl