Balve. Einmal selbst ausbilden stand irgendwie schon immer auf meiner Bucketliste. Der Gedanke liegt nahe, sich sein eigenes Personal heranzuziehen und genau in dem Bereich zu lehren, der für das eigene Geschäft wichtig ist. Meiner ist Musik und Medien. Sehr speziell.
Um so schwieriger ist es, jemanden zu finden, der in dieses Profil passt. Gerade in einer eher ländlich geprägten Region wie Balve.
Bei einem Musikjob lernte ich Lena kennen. Lena hatte grad das Fachabitur für Sozial- und Gesundheitswesen am Placida-Berufskolleg in Menden gemacht und fotografierte gerne. Ich engagierte sie für ein Fotoshooting als freie Mitarbeiterin und das Ergebnis ließ sich sehen.
Auf die Frage, was sie denn später machen wolle, wusste sie so recht keine Antwort, daher fragte ich sie, wie es denn mit Mediengestaltung aussähe und lud sie zu einem sechsmonatigen Praktikum ein. Dies trat sie dann auch dankend an.
Während der Praktikumszeit zeigte sich schnell, dass wir gut zusammenarbeiteten und der Job machte ihr Spaß. Schnell kamen wir auf das Thema Ausbildung. Also überlegte ich, welche Rahmenbedingungen nötig sind um als Betrieb selbst auszubilden. Ein Gespräch mit der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) brachte mich hier weiter.
Zunächst einmal galt es, die betriebliche Ausstattung mit den für eine Ausbildung notwendigen Arbeitsmitteln aufzurüsten. Arbeitsplatz mit eigenem PC und teilweise Zweitanschaffung von Arbeitsgeräten wie Kameras, aber auch Software, die es häufig als günstige Schülerlizenzen gibt, waren vonnöten.
Die Arbeit als Mediengestalter in einem kleinen Betrieb ist so vielfältig, dass man als Azubine ausreichend mitnehmen würde, doch um eine durchgehende Tätigkeit sicherzustellen, beschloss ich, mein Angebot um Textildruck zu erweitern, dem sich dann künftig vornehmlich Lena widmen würde. Allerdings musste das ganze ja auch noch finanziert werden. Auch wenn im Medienbereich relativ geringe Ausbildungsvergütungen gezahlt werden, darf man sich nicht täuschen, was der Azubi den Arbeitgeber kostet. Rechnen tut sich das nicht.
Sinnvoll ist es also auch im Vorfeld zu schauen, wie voll denn die Auftragsbücher für die nächste Zeit sind. Bevor ich als Ausbildungsbetrieb loslegen konnte, bekam ich erstmal Besuch von einem Mitarbeiter der SIHK. Auch wenn die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer händeringend nach Ausbildungsbetrieben sucht, wird penibel kontrolliert, ob die notwendigen Anforderungen an Betriebsgröße, Organisation, Ausstattung und Einhaltung der rechtlichen Vorgaben gegeben sind.
Da ich selber keine Ausbildung als Mediengestalter habe (zu meiner Zeit gab es diesen Beruf noch nicht), musste ich gegenüber der SIHK erstmal meine fachliche Eignung nachweisen. Unterlagen aus dem Studium der Medienwissenschaften, sowie diverse Zertifikate von Weiterbildungen im Bereich Audio, Web und Print, sowie meine langjährige Berufserfahrung reichten hier aus.
Alleine der sogenannte AdA-Schein (Ausbildung der Ausbilder) fehlte mir noch. Diesen konnte ich dann aber im Rahmen eines Wochenendseminars mit abschließender Prüfung bei der SIHK in Hagen machen. Thema meiner Abschlusspräsentation war: Den Auszubildenden ein Stückchen größer machen.
Lena würde ihre theoretischen Kenntnisse neben der Arbeit im Rahmen des Blockunterrichts in der Schule erlernen. Nun ging sie also los, die vermeintlich dreijährige Ausbildungszeit, und für mich persönlich war es eine positive Erfahrung. Die Arbeit mit einem sehr jungen Mitarbeiter bringt doch Schwung in den Laden, mit allen Aufs und Abs, die diesen ihren Lebensabschnitt so besonders machen – doch dazu später mehr.
Die Zeit der ruhigen Eigenbrötelei war jedenfalls erstmal vorbei. Die schnellen Fortschritte, die Lena in ihrer Zeit als Auszubildende machte, wurden noch beflügelt durch den Blockunterricht am Cuno-Berufskolleg in Hagen. So konnte auch ich als Ausbilder viele neue Impulse aus der Ausbildung mitehmen.
Blockunterricht bedeutete allerdings auch, dass die Auszubildende in dieser Zeit nicht im Betrieb war, das bedeutet eingespielte Aufgaben mussten von mir in der Zeit übernommen werden.
Natürlich ist ein Auszubildender keine Arbeitskraft. Dennoch übernimmt er ja gewisse Aufgaben, deren Erledigung auch dann notwendig ist, wenn sie/er dann mal längere Zeit fehlt. Berufsschulzeit ist also für den Schüler erstmal angenehmer als für den Ausbilder.
Spannend wurde es als eben benannter Schwung aus Lenas Privatleben dann auch in der Arbeitswelt Einzug nahm. Eine Schwangerschaft stellte den Erfolg der Ausbildung infrage. Auch in dieser schwierigen Situation griff die SIHK uns beratend unter die Arme. Statt während der Ausbildungszeit in Mutterschutz zu gehen, entschied sich Lena auf Anraten der SIHK dazu, die Ausbildung zu verkürzen. Ihr Ausbildungsstand und ihre Noten gaben das her.
Letztlich schloss Lena ihre Ausbildung zur Mediengestalterin Digital und Print erfolgreich, aber vorzeitig, ab. Sie zog mit ihrem Freund zusammen und widmete sich nach der Ausbildung erstmal ihrer Mutterschaft, um dann in einem größeren Unternehmen in Teilzeit als Mediengestalterin zu arbeiten. Anschließend trat sie ihren Job als Referentin für Unternehmenskommunikation für 3300 Mitarbeiter beim Klinikum Hochsauerland an. Seit Oktober verantwortet sie die Unternehmenskommunikation bei der Sauerlandklinik in Hachen.
Eine Synthese aus Fachabitur im Sozial- und Gesundheitswesen und der Ausbildung zur Mediengestalterin. Wer hätte das gedacht? Wir haben auch heute noch ein gutes Verhältnis zueinander, wenn wir uns mal über den Weg laufen, was eher selten passiert – sie wohnt als Mutter zweier Kinder in Arnsberg.
Als ich ihr diesen Text zur Durchsicht schickte, schrieb sie: „Da kommen Erinnerungen hoch. Ich habe es ehrlich nie bereut, diese Ausbildung gemacht zu haben – würde es immer wieder so machen.“
Ich selbst habe zwar keine neue Mitarbeiterin gewonnen, aber eine Menge an Erfahrung. Ich habe den Eindruck, dass die Ausbildung bei mir Lena tatsächlich ein Stückchen größer gemacht hat. Ein gutes Gefühl.
Daniel Pütz