Menden/Balve. Jens Wilkens ist Bürgermeisterkandidat der SPD Menden. Die Partei geht bei der kommenden Kommunalwahl einen anderen Weg und hat bundesweit nach einem geeigneten Kandidaten gesucht. Die HÖNNE-ZEITUNG spricht mit ihm darüber, wie im Falle einer Wahl der interkommunale Austausch zwischen Balve und Menden aussehen kann.
Herr Wilkens, Sie sind Bürgermeisterkandidat der SPD für die Stadt Menden, stellen Sie sich kurz vor.
Ich bin 46 Jahre alt, in Verden (Aller) geboren und in Menden aufgewachsen – einer Stadt, die mich geprägt hat und für die ich Verantwortung übernehmen möchte. Ich habe Soziale Arbeit und Politikwissenschaft studiert und arbeite heute als Schulsozialarbeiter an einem Berufskolleg im Ruhrgebiet – mitten im Alltag junger Menschen, die oft mit schwierigen Startbedingungen ins Leben starten. In meinem Berufsleben habe ich viele Perspektiven kennengelernt – als Dozent, Berater, Lehrer und Geschäftsführer eines Jugendverbands. Ich weiß, wie man lösungsorientiert und pragmatisch anpackt. Auch politisch engagiere ich mich seit vielen Jahren – für Integration, Chancengleichheit und eine offene Gesellschaft. Als Gründungsmitglied der AG Migration und Vielfalt in der NRW-SPD habe ich landesweit Impulse gesetzt, auch in Menden – etwa als Berater für den damaligen Bürgermeister zur Flüchtlingsintegration. Damals wurde ziemlich weitsichtig und innovativ geplant. Die sehr lobenswerten Ansätze wurden später jedoch zum Nachteil aller Mendenerinnen und Mendener verworfen. Ich möchte Bürgermeister werden, weil ich glaube: Menden braucht einen Kurswechsel – hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, kluger Wirtschaftspolitik und echter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.
Sie sind im Alter von 15 Jahren aus Bremen nach Menden gekommen, anschließend sind Sie nach Essen gezogen. Was denken Sie, inwieweit Ihnen der Blick eines Großstädters beim regieren einer sauerländischen Kleinstadt hilft?
Tatsächlich bringt dieser Weg – von einer Großstadt wie Essen zurück in die sauerländische Heimat – einen spannenden Perspektivwechsel mit sich. Ich kenne die Chancen und Herausforderungen beider Welten. In der Großstadt lernt man schnell: Vielfalt, Tempo und soziale Gegensätze gehören zum Alltag. Man muss pragmatisch handeln, auch bei komplexen Lagen, und dabei trotzdem die Menschen im Blick behalten. Diese Erfahrungen helfen mir auch beim Blick auf Menden: Ich sehe, was wir bewahren sollten – Nachbarschaft, Engagement, Identität – aber auch, wo wir mutiger und moderner werden müssen. Der ländliche Raum steht vor großen Herausforderungen: Fachkräftemangel, demografischer Wandel, Digitalisierung. Ich bringe dafür einen weiten Blick mit – aber auch die Bodenhaftung eines „hanseatischen“ Sauerländers. Und ich bin überzeugt: Die besten Lösungen entstehen oft dort, wo man das Beste aus beiden Welten zusammenbringt.
Was waren Ihre ersten Gedanken als Sie als Jugendlicher nach Menden kamen?
Ich bin in Cluvenhagen aufgewachsen – einem kleinen Dorf zwischen Verden und Bremen – und war als Jugendlicher oft in Bremen unterwegs. Als ich mit 15 nach Menden kam, war das zwar kein kompletter Kulturschock, aber doch eine Umstellung: Alles war ruhiger, kleinteiliger, überschaubarer. Ich kannte das Leben in einer größeren Stadt – hier war vieles anders, aber auch direkter. Und genau das habe ich schnell zu schätzen gelernt: In Menden begegnet man sich, man kennt sich, man wird gesehen. Ich bin früh mit der Jugendkultur in Kontakt gekommen, war viel mit dem Skateboard unterwegs, habe neue Leute kennengelernt und mich in Jugendgruppen engagiert – Kultur in ihrer lebendigsten Form mitgeprägt und Geschichte hautnah erlebt, besonders, was die Mendener Musikszene betrifft. Dabei habe ich erfahren, wie viel man bewegen kann, wenn man sich einbringt. Menden wurde für mich zu einem Ort, an dem Beteiligung möglich ist – das hat mich geprägt und begleitet mich bis heute in meinem politischen Engagement.
Sie waren früher in der Skateboardszene aktiv. Damals haben Sie Ihre Zukunft vermutlich nicht in Anzug und Lokalpolitik gesehen. Heute arbeiten Sie unter anderem in der Schulsozialarbeit. Inwieweit hat Sie Ihr Aufwachsen in einer sauerländischen Kleinstadt in Ihrem Lebensweg beeinflusst?
Was denken Sie, was es heute an Angebot für Jugendliche braucht, um sie langfristig an ihre Heimat zu binden? Nein, ein Anzug war damals wirklich nicht Teil meines Zukunftsplans. Ich war mit dem Skateboard unterwegs, habe mich in Jugendzentren engagiert, mit Freunden kleine Aktionen gestartet – ich habe erlebt, was es bedeutet, sich Freiräume zu schaffen. Gerade in einer sauerländischen Kleinstadt wie Menden ist das nicht selbstverständlich. Umso wichtiger war für mich: Es gab Erwachsene, die zugehört haben, die etwas möglich gemacht haben, statt nur Regeln aufzustellen. Das hat mich geprägt. Heute sehe ich aus professioneller Perspektive, wie entscheidend solche Räume und Beziehungen für Jugendliche sind. Es braucht Orte, an denen junge Menschen nicht nur „beschäftigt“ werden, sondern sich ernst genommen fühlen. Angebote, die ihnen Gestaltungsspielräume geben, in denen sie mitreden, mitentscheiden, mitbauen können – sei es ein Jugendrat, eine offene Bühne, ein kreativer Treffpunkt oder funktionierende Jugendzentren mit engagierter Sozialarbeit. Wenn Jugendliche erleben, dass ihre Ideen etwas zählen, dass sie in ihrer Stadt etwas bewegen können, dann wachsen auch Bindung und Perspektive. Das ist der Schlüssel – nicht nur für persönliche Entwicklung, sondern auch für eine lebendige Stadtgesellschaft.
Im Märkischen Kreis gilt der interkommunalen Zusammenarbeit ein besonderer Stellenwert. Aktuell ist ein Normenkontrollverfahren der Stadt Menden gegen die Stadt Balve in Zusammenhang mit der Bebauung der Hönnewiesen anhängig. Wie gedenken Sie im Falle Ihrer Wahl das Verhältnis der beiden Städte wieder zu verbessern?
Interkommunale Zusammenarbeit ist kein Schönwetterprojekt – gerade in Zeiten knapper Kassen und gemeinsamer Herausforderungen ist sie wichtiger denn je. Das Verfahren gegen Balve steht für ein handfestes Problem, das sich nicht durch Symbolpolitik lösen lässt. Aber eines ist mir wichtig: Auch wenn es juristische Auseinandersetzungen gibt, dürfen wir als Städte nicht den Gesprächsfaden verlieren. Ich setze auf eine neue Gesprächskultur mit klaren Interessen, aber auch mit gegenseitigem Respekt. Wer Bürgermeister wird, ist nicht nur Verwaltungschef, sondern auch Brückenbauer – gerade in der Region. Ich würde das Gespräch mit der Balver Verwaltung und Politik frühzeitig suchen, um gemeinsam nach Lösungen zu schauen, wie wir Vertrauen wiederherstellen können. Denn klar ist: Am Ende profitieren beide Städte davon, wenn sie ihre Kräfte bündeln – sei es in der Wirtschaftsförderung, beim öffentlichen Nahverkehr oder in der Jugend- und Sozialarbeit. Das sollten wir wieder stärker in den Vordergrund rücken.
Stichwort Hochwasser: Mit Blick auf die Starkregenereignisse der letzten Jahre ist klar, dass die Anrainer eines Gewässers hier kooperieren müssen. Wie ist Ihre Idee für einen koordinierten Hochwasserschutz entlang der Hönne zwischen Neuenrade und Fröndenberg?
Hochwasserschutz endet nicht an der Stadtgrenze – das hat uns die Realität der letzten Jahre eindrücklich vor Augen geführt. Die Hönne ist ein verbindendes Gewässer, aber auch ein gemeinsames Risiko. Ein wirksamer Schutz gelingt nur gemeinsam und vorausschauend – mit technischem Sachverstand, klarer Verantwortung und verlässlicher Zusammenarbeit zwischen allen Anrainerkommunen. Ich setze mich für einen überörtlich koordinierten Hochwasserschutz ein, der die gesamte Hönne in den Blick nimmt – von der Quelle bis zur Mündung. Dazu gehört eine abgestimmte Planung mit Neuenrade, Balve, Menden und Fröndenberg, unterstützt durch den Kreis und die zuständigen Landesbehörden. Was wir brauchen, ist ein gemeinsames Konzept, das technische Maßnahmen (wie Rückhaltebecken oder Renaturierung), digitale Frühwarnsysteme und auch Maßnahmen der Flächenvorsorge sinnvoll miteinander verzahnt. Zugleich will ich als Bürgermeister dafür sorgen, dass die Stadt Menden ihre Hausaufgaben macht: mit schneller Umsetzung der vereinbarten Schutzmaßnahmen, guter Kommunikation mit der Bürgerschaft und einem klaren Blick auf zukünftige Herausforderungen durch den Klimawandel. Denn: Klimaanpassung ist keine Kür, sondern eine Pflicht. Und sie beginnt damit, dass wir nicht nebeneinander her arbeiten, sondern gemeinsam vorsorgen.
Die SPD Menden hat sie nach einer bundesweiten Ausschreibung als Kandidat gekürt. Was ist der Gedanke dahinter, wo sehen Sie die Vorteile eines Kandidaten von Außen?
Die Entscheidung der SPD Menden, auch über die Stadtgrenzen hinaus nach einer passenden Persönlichkeit zu suchen, zeigt Mut zur Erneuerung und Offenheit für neue Perspektiven. Ich bin kein Parteisoldat, sondern jemand mit vielfältiger Berufs- und Lebenserfahrung – als Sozialarbeiter, als politisch engagierter Mensch, als jemand, der Menden kennt, aber auch den Blick von außen mitbringt. Ich habe meine Jugend in Menden verbracht, hier prägende Erfahrungen gesammelt und den Ort nie aus den Augen verloren. Gleichzeitig habe ich durch meine beruflichen Stationen in ganz NRW gelernt, wie andere Städte mit ähnlichen Herausforderungen umgehen – zum Beispiel beim Umgang mit Armut, Integration, Bildung oder Stadtentwicklung. Dieses Wissen möchte ich einbringen. Ein Bürgermeister muss gestalten können, aber auch zuhören, vermitteln, pragmatisch Lösungen finden. Die Perspektive von außen erlaubt es mir, eingefahrene Wege neu zu denken – und zugleich mit Respekt und Nähe für die Menschen vor Ort zu handeln. Denn ich bin überzeugt: Es geht nicht darum,woher man kommt – sondern wofür man steht.
Wenn man nach Menden schaut, ist der Wahlkampf im Gegensatz zu Balve bereits im vollen Gange. Sie haben bereits durch einige Aktionen, wie Blumengeschenke zum Muttertag auf sich aufmerksam gemacht. In diesem Zusammenhang haben Sie auch schon Bekanntschaft mit kommunaler Bürokratie gemacht. Erzählen Sie uns davon. Was muss sich hier ändern?
Tatsächlich hat mich die Verteilung der Rosen zum Muttertag schnell mit der kommunalen Bürokratie in Berührung gebracht. Das Ordnungsamt hatte zunächst darauf hingewiesen, dass ich für die Aktion eine Sondernutzungserlaubnis benötigt hätte. Nach einigen Tagen stellte der Bürgermeister jedoch klar, dass dies ein Fehler des Ordnungsamtes war – und entschuldigte sich öffentlich. Ich hätte also keine Sondernutzungserlaubnis gebraucht. Dieser Vorfall zeigt, dass Abläufe in der Verwaltung oft zu starr oder unklar sind – und mitunter ein gesundes Rechtsempfinden fehlt. Das ist nicht nur für Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für politische Akteure frustrierend. Mein Ziel ist es, die Verwaltung so zu gestalten, dass sie bürgernäher, flexibler und transparenter arbeitet – ohne unnötige Hürden und mit klaren, verständlichen Regeln. Eine offen gelebte Fehlerkultur würde ich als große Bereicherung für die Stadtverwaltung Menden ansehen – und diese gezielt fördern. Denn nur so schaffen wir Vertrauen und ermöglichen unkompliziertes Engagement in unserer Stadt.
Für Balve ist Menden mit seinen Gymnasien ein wichtiger Schulstandort, allerdings durch die Hönnetalbahn auch mehr schlecht als recht angebunden. Auf der anderen Seite brauchen die Mendener Schulen mit Blick auf den demografischen Wandel Schüler. Welche infrastrukturellen Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie hier?
Das Thema ist sehr komplex. Bei der MVG stehen hier in den kommenden Jahren auch einige Veränderungen an. Eine Verbesserung der Situation lässt sich nur gemeinsam auf Kreisebene finden. Die Anbindung durch die Hönnetalbahn ist für viele Schülerinnen und Schüler, aber auch für Berufspendler bis dahin eine große Herausforderung. Um die Attraktivität unserer Schulen für die gesamte Region zu erhalten und zu steigern, müssen wir die Verkehrsinfrastruktur dringend verbessern. Ich setze mich dafür ein, den öffentlichen Nahverkehr im Märkischen Kreis stärker zu vernetzen und attraktiver zu machen – das bedeutet unter anderem häufigere Takte, bessere Anschlussmöglichkeiten und moderne, barrierefreie Fahrzeuge. Dabei ist die Hönnetalbahn ein wichtiger Baustein, der optimiert werden muss. Darüber hinaus müssen wir flexibel auf den demografischen Wandel reagieren und unsere Schulen so gestalten, dass sie lebendige Lernorte bleiben. Das bedeutet auch, Kooperationen mit Nachbarstädten zu fördern, um Schülerströme zu steuern und gemeinsam hochwertige Bildungsangebote zu schaffen. Eine starke und moderne Verkehrsinfrastruktur ist die Voraussetzung, damit junge Menschen sich für Menden als Bildungs- und Lebensort entscheiden – und so die Zukunft unserer Stadt sichern.
Apropos Infrastruktur – ein Ewigkeitsthema: Der Ausbau der A46 von Hemer über Menden nach Arnsberg würde auch Balve eine schnellere Autobahnanbindung bieten. Wie positionieren Sie sich hier?
Ich lehne den Ausbau der A46 ab. Der Eingriff in Natur und Landschaft wäre enorm, die ökologischen und finanziellen Kosten hoch – und der tatsächliche verkehrliche Nutzen zweifelhaft. Schon heute fehlen Mittel für den Erhalt der bestehenden Infrastruktur, ganz zu schweigen vom Ausbau. Hinzu kommt: In Menden gibt es für den Ausbau keine politischen Mehrheiten – und auch in vielen umliegenden Kommunen wird das Projekt kritisch gesehen. Politisch ist der A46-Ausbau deshalb nicht nur fragwürdig, sondern schlichtweg nicht realistisch. Statt auf jahrzehntealte Autobahnpläne zu setzen, brauchen wir zukunftsfähige Alternativen: bessere Bahnverbindungen, eine leistungsfähige digitale Infrastruktur und einen attraktiven Nahverkehr, der wirklich als Alternative zum Auto funktioniert – auch zwischen Menden und Balve. Gerade auf dieser Strecke ist ein verlässlicher und gut getakteter ÖPNV wichtig: für die vielen Schülerinnen und Schüler, die täglich pendeln, und für soziale Kontakte über die Stadtgrenzen hinweg. Eine gute Anbindung stärkt die Region als Ganzes – ohne Natur und Umwelt langfristig zu belasten.
Eine letzte Frage: Wenn Sie die Wahl hätten: Großstadt oder Kleinstadt?
Beides hat seinen Reiz – und beide Lebenswelten haben mich geprägt. Die Großstadt bietet Vielfalt, Dynamik und viele Möglichkeiten, die Kleinstadt hingegen Nähe, Gemeinschaft und einen starken Zusammenhalt. Für mich ist Menden genau die richtige Mischung: eine Stadt mit überschaubarer Größe, in der man sich begegnet und mitgestalten kann, und zugleich verbunden mit der größeren Region, die Chancen eröffnet. Darum würde ich mich immer wieder für Menden entscheiden – weil hier die Menschen zählen und man gemeinsam etwas bewegen kann.
Das Interview führte Daniel Pütz per E-Mail.