Balve/Neuenrade. Die gereizten Eisenbahnfreunde Hönnetal knöpfen sich in ihrer Stellungnahme das Geschehen rund um die Hönnetalbahn vor, die seit Monaten Zielscheibe scharfer Kritik ist.
„Eisenbahnfahren ist in den letzten Monaten zu einem Glückspiel geworden. Wer momentan in NRW unterwegs ist, muss feststellen, dass die App „DB-Navigator“ überlebenswichtig geworden ist, wenn man – noch dazu pünktlich – ans Ziel kommen will.
Vorbei scheinen die Zeiten, in denen man einfach so zum Bahnhof gehen konnte und verlässlich seinen Zug bekam, mit dem man pünktlich am Zielort eintraf. Es ist nicht nur ein Eindruck, sondern tagtäglich aufs Neue zu beobachten, dass es im Nah- (und Fern-)verkehr auf der Schiene in NRW – also auch im Hönnetal – alles andere als rund läuft. Irgendetwas ist immer – und seit dem letzten Herbst besonders oft.
Defekte Züge
Defekte Fahrzeuge, defekte Weichen, fehlendes Personal oder manchmal gleich alles zusammen. Wenn dazu noch externe Ereignisse wie Stürme oder Personenschäden dazu kommen, ist das Chaos perfekt.
Was ist da schiefgelaufen, gerade bei uns im so genannten „Sauerland-Netz“, das doch doch zwischen 2002 und 2016 so zuverlässig lief? Es scheinen tatsächlich mehrere Faktoren zu sein, wobei einige im DB-Konzern zu suchen sind und andere eher gesellschaftlicher und/oder politischer Natur sind. Dazu zählen ein verändertes Verhältnis zum Thema Zuverlässigkeit und Risikobereitschaft.
Umsteigen in Fröndenberg ein riesiges Problem
Für das Hönnetal trifft alles zu: Fangen wir mit dem neuen Fahrplan an, der von der Absicht gut, aber von der Infrastruktur her sehr ambitioniert ist. In Fröndenberg soll der Reisende aus dem oberen Hönnetal einen schnellen Anschluss Richtung Dortmund haben. Doch die kleinste Kleinigkeit gefährdet diesen Anschluss. Das hängt auch mit dem Umstand zusammen, dass man beim Zugang zum Bahnsteig in Menden auf die technische Sicherung des Bahnübergangs am Gleis 2 verzichtet hat (worauf man DB-seitig sogar stolz ist, das Geld dafür gespart zu haben!). In der Folge müssen alle Züge aus Neuenrade, statt direkt auf Gleis 2 einzufahren, sich durch Gleis 4 schlängeln, was nur mit verminderter Geschwindigkeit möglich ist. Das macht rund 1 – 2 entscheidende Minuten aus.
„PESA-Link“ ein Flop?
Dann das Thema Fahrzeuge. Die neuen Fahrzeuge der Bauart „PESA-Link“ können tatsächlich den neuen Fahrplan halten – wenn sie zuverlässig funktionieren. Das scheint aber de facto sehr oft nicht der Fall zu sein. Gerade die Zeit vor dem morgendlichen Betriebsbeginn muss bei den Fahrzeugen Fehlfunktionen geradezu herausfordern. Auch das notwendige Kuppeln zu einer Doppelgarnitur scheint eine Herausforderung zu sein.
Die Folge: Ausfälle und Verspätungen, von denen Fahrgäste auf allen Strecken des Sauerland-Netzes gleichsam betroffen sind, ob in Neuenrade, Balve, Iserlohn oder Lüdenscheid. Diese Probleme als „Kinderkrankheiten“ der Fahrzeuge abzutun, kann nach rund 6 Monaten Einsatz im Plandienst nicht mehr so recht verfangen. Technische Lösungen müssten angesichts der Tatsache, dass die PESA-Fahrzeuge auch in anderen Bundesländern bereits länger fahren, längst gefunden sein. Und wenn nicht, wo sind Ersatzfahrzeuge?
Durchsagen mangelhaft
Die lakonische Computerstimme, die als Bahnsteigdurchsage um „Entschuldigung“ bittet (sofern sie es dann macht), kommt den frustrierten Reisenden, die zu spät zur Schule oder Arbeit kommen, fast als Verhöhnung vor. Das ist auch gleich das nächste Ärgernis. Die mangelhafte Information. Manchmal gibt die DB-App an, ob der Zug fährt und pünktlich ist, morgens aber sehr oft nicht. Und Alternativen gibt es dann oft genug auch keine. Den Fahrdienstleitern in Menden und Fröndenberg hat man ja leider längst die Möglichkeit genommen, Bahnsteigdurchsagen zu machen, so dass auch diese wichtige Informationsmöglichkeit verbaut ist. Fahrdienstleiter gehören zur DB Netz, die Reisenden-Information ist Sache von DB Station&Service.
Strukturelle Probleme
Damit kommen wir zu einem wesentlichen strukturellen Problem, das sich auch im Thema Zugverspätungen, Zugausfällen und im Umgang damit offen zeigt. Zum einen hat man die Zuständigkeiten derart differenziert, dass an einem Problem mitunter mehrere Unternehmenstöchter der DB umständlich beteiligt sind. Man denke hier nur an das Thema der Information des Reisenden.
Zum anderen scheinen aber auch innerhalb der DB-Töchter die Strukturen der Verantwortlichkeiten derart reguliert worden zu sein, dass sich der Einzelne entweder nicht mehr traut, klare Entscheidungen zu treffen – oder es sogar gar nicht mehr darf.
Kleiner Dienstweg verschwunden
Der berühmte „kleine Dienstweg“ konnte früher so manches Problem unbürokratisch lösen, bevor es überhaupt entstand. Das geht heute nicht mehr. Alles ist klaren, nachvollziehbaren und vor allem berechenbaren Abfolgen (Prozessen) unterworfen. Das macht in der Theorie Sinn, in der Praxis führt das aber dazu, zum Beispiel bei einer Störung den leichtesten Weg zu wählen. Der heißt dann oft „Ausfall“. Das ist kostengünstiger! Der Kunde muss dann eben selbst sehen, wo er bleibt. Dessen Kosten deckt theoretisch eine Mobilitätsgarantie – aber mal ehrlich. Wer nimmt die schon in Anspruch? Und die Tankrechnungen des Kunden, der dann auf den eigenen PKW umsteigen muss, den zahlt das Verkehrsunternehmen natürlich nicht.
Personaldecke auf Kante genäht
Ach ja, da ist natürlich auch noch das Problem der Personalknappheit. Auch hier spielen betriebswirtschaftliche Fehleinschätzungen eine Rolle, wenn beispielsweise die Personaldecke aus Kostengründen „auf Kante“ genäht ist. Krank werden darf da keiner.
Was können wir Fahrgäste tun?
Aktiv werden, das heißt, beschweren und immer wieder beschweren und zwar beim zuständigen Zweckverband Ruhr-Lippe (ZRL) in Unna, der die Zugleistungen bestellt und bezahlt. Außerdem: Die Mobilitätsgarantie, die es auch im Westfalentarif gibt, konsequent ausschöpfen. Nur über diese Hebel geht es. Wenn wir als Fahrgäste das alles kommentarlos schlucken oder erst gar nicht mehr mitfahren, zerstören wir im Extremfall das gute und ökologisch wichtige Verkehrsmittel Hönnetalbahn – mal ganz davon abgesehen, dass das morgendliche Autofahren keinen Deut angenehmer ist.
Guter Fahrplan – schlechte Umsetzung
Wir haben als Eisenbahnfreunde Hönnetal e.V. in langen Jahren im Hönnetal einen modernen Schienenpersonennahverkehr erkämpft. Der Fahrplan von heute war noch nie so gut, die Fahrzeuge modern und ansprechend.
Aber was nützen Pläne, die nur auf dem Papier funktionieren, in der Praxis aber zu oft scheitern? Die Fahrgäste, egal ob Pendler, Schüler oder Freizeitreisende möchten pünktlich und zuverlässig ans Ziel gebracht werden. Mehr nicht.
Was ist neuerdings so schwer daran, genau diese einfache Leistung zu erbringen?“
Johannes Schmoll, Pressesprecher
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich hatte im Herbst einmal versucht von Neuenrade nach Duisburg zu kommen. Der einzige planmäßige Abfahrt ist in Neuenrade um 6:03 Uhr gewesen. Schon in Fröndenberg ging ohne App nichts mehr (was macht die „Oma“ die verloren mit ihrem Handtäschchen am Bahnsteig steht. Alles rannte von Bahnsteig zu Bahnsteig, als gelte es einem Anschlag zu entgehen. In Dortmund das Gleiche. Mit App einen Zug gefunden, der so viel Verspätung hatte, dass ich ihn noch erwischt habe. Für diese lächerliche Strecke dann 2 1/2 Stunden gebraucht. Auf dem Rückweg die gleiche Chose mit Verspätungen und Rennen. Da hab ich mir geschworen doch lieber im warmen Auto im Stau zu stehen und dabei Radio zu hören. Diesen Stress an kalten, zugigen, stinkenden Bahnsteigen tue ich mir nicht mehr an!