Von Leonhard Knape
Balve. Mit dem Paläontologen Dr. Achim H. Schwermann vom LWL-Museum für Naturkunde in Münster hatte das Kolping-Forum Balve einen höchst kompetenten Referenten gewonnen. Als Nachfolger von Dr. Klaus-Peter Lanser leitet er seit 2017 die mitunter als Saurier-Friedhof bezeichnete Grabungsstelle in Balve, in der seit 16 Jahren bedeutsame Fossilien gefunden worden sind.
Der Referent lud sein Publikum zu einer Reise in die Erdgeschichte ein. Sie begann mit einem kurzen Blick auf die Entstehung der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren. Erste Zwischenstation war das Devon: Vor 380 Millionen Jahren sah die Gestalt der Erde mit der Verteilung von Festland und Meer völlig anders aus als heute. Hätte es die Stadt Balve damals schon gegeben, dann hätte sie südlich des Äquators gelegen.
In Äquatornähe bildeten sich Riffe im Meer, Kalk wurde am Boden abgelagert. Die ersten Wirbeltiere gingen an Land. Den Grund für diesen „Landgang“ versuchen drei Hypothesen zu erklären, so Achim Schwermann: Verlassen des bisher bewohnten Gewässers wegen dessen Austrockung und Aufsuchen eines anderen Gewässers als Lebensraum – Flucht vor großen Haien – Nahrungssuche.
Zweiter Halt vor 330 Millionen Jahren: Zeit des Karbon. Unser Kontinent war nordwärts gewandert, durch Zusammenprall von Kontinenten entstanden Faltengebirge. Die oberen Gebirgsschichten wurden abgetragen, die unteren blieben erhalten. Es gab riesige Sumpfwälder. Tote Pflanzen versanken im Sumpf und wurden zu Torf, später durch den Druck massiver Ablagerungen zu Steinkohle.
Dritter Halt vor 180 Millionen Jahren im Jura. Als typisch für diese Zeit nannte der Referent die Verkarstung: Im Zusammenspiel von Wasser und Kalk entstanden Hohlräume, ähnlich den Höhlen im Hönnetal, die wesentlich später, aber nach demselben Prinzip entstanden sind.
Das Ziel der Zeitreise war Balve vor 125 Millionen Jahren: die frühe Kreidezeit. Die Kontinente hatten sich weiter verändert, waren inzwischen stärker voneinander getrennt, verschiedene Faunenräume waren entstanden. Reste von Organismen gelangten nach und nach in die Hohlräume im Kalk, im Lauf der Zeit wurden sie durch andere Ablagerungen überdeckt.
Einige dieser Organismenreste wurden Millionen Jahre später zufällig gefunden, die Funde wurden dem Naturkundemuseum in Münster, zuständig für die paläontologische Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe, gemeldet: Der „Dinosaurier-Friedhof“ in einem Kalksteinbruch am Rand von Balve wurde entdeckt.
Dort wurden im Lauf der letzten 16 Jahre nicht nur – zumeist sehr kleinteilige – Fossilien von Dinosauriern wie dem pfanzenfressenden Iguanodon und verschiedenen Raubsauriern gefunden, sondern auch von Krokodilen, Schildkröten, Flugsauriern, Knochenfischen und Haien.
Besonders überrascht waren die Forscher, als sie den Kieferknochen eines frühen Säugetiers fanden, denn Reste von Säugetieren aus der Zeit der Dinosaurier sind sehr selten und umso wichtiger für das Verständnis der Entwicklung dieser Tiergruppe.
Im Sommer wird Dr. Schwermann mit seinem Team wieder in Balve anrücken und sich im Steinbruch auf die Suche nach Fossilien begeben, dankbar dafür, dass der Betreiber des aktiven Steinbruchs diese Forschungsarbeiten gestattet. Dabei wird die Technik des „Schlämmens“ angewandt: Gesteinsproben werden auf Siebe gelegt, mit viel Wasser werden die feinen Gesteinskörner herausgewaschen, zurück bleiben die „größeren“ Gesteinsteile und – da sind die Forscher sich sicher – Fossilien.
Auf Anfrage aus dem Publikum teilte Achim Schwermann mit, dass interessierte Besucher den Steinbruch und die Ausgrabungsstelle nur nach Absprache besuchen können. Einblicke in Balves Fenster in die Dino-Zeit werden gerne gewährt.