Das Jahr 2022 hatte an Herausforderungen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt einiges zu bieten: Erst die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, dann der Angriffskrieg auf die Ukraine, in der Folge steigende Energie- und Rohstoffpreise, Lieferengpässe und Inflation. Dazu macht die gesperrte A45- Brücke der Region zu schaffen. Trotz der konjunkturellen Rahmenbedingungen entwickelte sich der Arbeitsmarkt im Märkischen Kreis stabil, so das Resümee von Arbeitsagentur Iserlohn und Jobcenter Märkischer Kreis. Agenturchefin Sandra Pawlas und Renate Holke, stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenters, ziehen Bilanz:
Beständige Beschäftigungslage mit Plus zum Vorjahr
Im Märkischen Kreis sind mit Stand März 2022 insgesamt 163.089 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Mit einem Anstieg um 0,9 Prozent ist gegenüber dem Vorjahr ein leichtes Plus zu verzeichnen, das sind 1.400 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr. „Beschäftigungswachstum ist ein gutes Zeichen, wenngleich die Steigerung in unserer Region mit einem hohen Anteil an produzierendem Gewerbe nicht so stark ausfällt wie in Regionen mit höherem Dienstleistungsanteil“, berichtet Sandra Pawlas. Dämpfend hat sich im Bereich der Öffentlichen Verwaltung die Verlagerung eines Firmensitzes in eine andere Region ausgewirkt, wodurch im Märkischen Kreis rund 800 Beschäftigte aus der Statistik gefallen sind. Im Vergleich März 2021/März 2022 (Info: aktuelle Daten stehen turnusgemäß Mitte Januar zur Verfügung) sind die stärksten Steigerungen in Dienstleistungsbereichen wie dem Gesundheits- und Sozialwesen, der Arbeitnehmerüberlassung sowie im produzierenden Gewerbe bei der Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen zu verzeichnen.
Kurzarbeit sinkt im Jahresverlauf
Während in der Corona-Hochphase viele Betriebe das Instrument der Kurzarbeit genutzt haben, ging diese im Jahresverlauf sukzessive zurück. 635 Betriebe waren im August 2021 in Kurzarbeit, im Augst 2022 nur noch 61. Arbeitslosigkeit verläuft saisontypisch, ab Juni Anstieg durch die ukrainischen Geflüchteten
Die Arbeitslosigkeit liegt mit einer Quote von 6,3 Prozent im Jahresvergleich etwa auf Vor-Corona-Niveau. „Seit Beginn des Jahres hat sich die Zahl der arbeitslosen Männer und Frauen im Märkischen Kreis saisontypisch entwickelt“, kommentiert Sandra Pawlas. Ab Juni wirkt sich die Erfassung der ukrainischen Geflüchteten im Bereich der Grundsicherung (SGB II) aus. Zum Jahresende waren rund 15.550 Personen arbeitslos gemeldet. „Ein wesentlicher Grund dafür, dass die Arbeitslosigkeit stabil geblieben ist, sind die Engpässe bei qualifizierten Arbeitskräften, die wir immer stärker spüren. Die Betriebe halten daher ihre Beschäftigten auch in Krisenzeiten. Saisonal wird die Arbeitslosigkeit am Jahresanfang zunächst voraussichtlich etwas ansteigen, doch wir gehen davon aus, dass der Arbeitsmarkt stabil durch den Winter kommt.“
Stellenbestand auf hohem Niveau
Mit insgesamt 5.390 offenen Stellen ist der Stellenbestand im Märkischen Kreis auch im Dezember beständig hoch und sogar NRW-weit vorn. Betrachtet man den Jahresdurchschnitt, waren 2022 so viele Stellen im Bestand wie in der Hochkonjunkturphase 2018/2019. „Ab Mai haben die Arbeitgeber weniger Arbeitsstellen gemeldet, eine Reaktion auf die schwieriger werdenden konjunkturellen Rahmenbedingungen. Positiv – auch mit Blick auf das nächste Jahr – stimmt uns, dass der Stellenzugang zum Jahresende wieder angestiegen ist. Vor allem aus den Bereichen verarbeitendes Gewerbe, konkret Maschinenbau, aber auch für den Handel kamen neue Stellen dazu“, sagt Sandra Pawlas.
Entwicklung in der Grundsicherung – Jobcenter Märkischer Kreis
In den ersten fünf Monaten des vergangenen Jahres hat sich die seit April 2021 rückläufige Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften und der vom Jobcenter betreuten Leistungsbeziehenden weiter fortgesetzt. „Beide Kennzahlen lagen im Mai auf dem niedrigsten Stand seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005“, berichtet Renate Holke und ergänzt: „Infolge des Zugangs geflüchteter Menschen aus der Ukraine hat sich im Juni ein sprunghafter Anstieg der Fallzahlen ergeben. Die Zugänge setzten sich in den Folgemonaten weiter fort“. Mit 16.253 lag die Zahl der Bedarfsgemeinschaften am Jahresende 2022 um 1.136 bzw. um 7,5Prozent über dem Vorjahreswert. Die Anzahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erhöhte sich um 1.551 Personen auf 21.942 und fällt um 7,6 Prozent höher aus als vor einem Jahr.
„Aktuell betreut das Jobcenter 3.790 Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit“, führt Renate Holke weiter aus. „Diese leben in 1.752 Bedarfsgemeinschaften. Es handelt sich dabei um 2.516 erwerbsfähige Personen im Alter von 15 bis 67 Jahren und um 1.274 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Knapp 70 Prozent der erwerbsfähigen Personen sind Frauen. Entsprechend hoch ist daher mit jeweils etwas über einem Drittel der Anteil Alleinerziehender- und Single-Bedarfsgemeinschaften. Hinsichtlich der beruflichen Qualifikation weisen 45 Prozent der Personen das Niveau „Fachkraft“ oder höher aus, allerdings verfügt der Großteil nur über geringe deutsche Sprachkenntnisse. Insofern steht bei diesen Personen der Erwerb von Deutschkenntnissen zunächst im Vordergrund. Derzeit nehmen 972 Menschen an einem Sprachkurs teil. Die Wartezeit für die Teilnahme an einem solchen Kurs liegt im Schnitt bei 21 Wochen.“
Mit 10.343 Personen hat die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr um 721 bzw. um 7,5 % zugenommen. Auch hier macht sich der Zugang geflüchteter Menschen aus der Ukraine bemerkbar. „Zum Jahresende waren 961 Ukrainer*innen bei uns im Jobcenter als arbeitslos gemeldet“, so Renate Holke.
Aussichten: Mit Zuversicht und Weitblick ins Jahr 2023
„Trotz aller Stressfaktoren, die unseren Arbeitsmarkt im vergangenen Jahr beeinflusst haben, können wir unterm Strich eine zufriedenstellende Bilanz ziehen und vorsichtig optimistisch nach vorn blicken“, sagt Sandra Pawlas. „Ohne die Entwicklungen, die sich durch den Ukrainekrieg auf den Arbeitsmarkt auswirken, liegen wir im Märkischen Kreis bei der Arbeitslosigkeit und der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften deutlich unter den Vorjahreswerten.
Wichtige Faktoren waren die Entwicklungen bei Neueinstellungen und Jobverlusten: Unternehmen haben 2022 weniger arbeitslose Menschen neu eingestellt. Dass sie gleichzeitig aber auch auf Entlassungen trotz der unsicheren konjunkturellen Lage verzichtet haben, hat dem märkischen Arbeitsmarkt Stabilität verliehen.
Laut einstimmiger Prognose der führenden Forschungsinstitute entspannen sich die konjunkturellen Rahmenbedingungen in 2023 nach Corona, Ukrainekrieg und angespannter Weltwirtschaft. Allerdings wird die Fachkräftesicherung zunehmend zur Herausforderung. Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung werden immer spürbarer, im Märkischen Kreis schrumpft die erwerbstätige Bevölkerung besonders stark. Jede(r) zehnte Beschäftigte wird in den kommenden fünf Jahren 65 alt sein. Mit der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung der Wirtschaft steigen zudem die Ansprüche an die Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. „Damit der Arbeitsmarkt langfristig stabil bleibt, muss in die Menschen investiert werden. Nur durch Qualifizierung der Beschäftigten und Arbeitslosen sowie durch Stärkung der dualen Ausbildung können wir dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Das wird in den kommenden Jahren eine unserer wichtigsten Aufgaben sein,“ sind sich Sandra Pawlas und Renate Holke einig, und appelliert daher an alle: „Qualifizieren Sie sich! Es gibt in unserer Region aufgrund des hohen Stellenbestands vielfältige Chancen, in Arbeit zu kommen, aber es muss „matchen“, Anforderungsprofil und Knowhow müssen zusammenpassen. Unsere Beraterinnen und Berater aus der Arbeitsagentur und dem Jobcenter unterstützen hier engagiert und beraten zu allen Fragen der Qualifizierung, Weiterbildung, Berufs- und Ausbildungsberatung.“
Sandra Pawlas (l.) und Renate Holke stellen den Arbeitsmarktbericht vor. Foto (Liebelt/Agentur für Arbeit)