Balve/Helle. Kultrock in der Balver Höhle ist inzwischen zur Tradition geworden. Jetzt hat der Hauptveranstalter Guido Simm (Foto) die letzte Veranstaltung dieser Art für den August angekündigt und nimmt hier im HÖNNE-ZEITUNG-Interview Stellung.
Herr Simm, im vergangenen Monat haben Sie das Ende des German-Kultrock-Festivals in der Balver Höhle angekündigt. Als Hauptgrund haben Sie die Corona-Pandemie angegeben. Was hat sich in der Veranstaltungsbranche dadurch verändert?
Seit der Pandemie sind die VVK-Zahlen für die Jahre 2023 und 2024 bereits rückläufig und das war in den Jahren vor 2020 nicht der Fall. Da stand unser Festival finanziell aufgrund zeitigen Vorverkäufen der Fans bereits auf gesunder Basis.
Ist das ein allgemeiner Trend, dass Tickets nur sehr schleppend im Vorverkauf weggehen? Während der Corona-Zeit konnte man das ja verstehen, da man vorher gar nicht wusste, ob man zum Veranstaltungstag gesund wäre. Wirkt das wirklich noch so sehr nach, oder gibt es inzwischen andere Gründe?
Es scheint ein allgemeiner Trend zu sein, der gerade kleinere Festivals betrifft. Ein Wacken, was jedes Jahr innerhalb von Stunden ausverkauft ist, muss sich da trotz irrer Preise keine Sorgen machen. Dennoch sind die Gründe vielseitig bei uns, zumal wir ja lediglich ein Eintages-Festival sind und die Fans mit weiter Anreise schon einer starken finanziellen Belastung ausgesetzt sind. Ticketkauf, Hotel-, Pensionskosten, Verzehr, Anfahrt etc. das summiert sich schon ordentlich.
Als weiteren Grund gaben Sie die Altersstruktur an. Es ist verständlich, dass da irgendwann die natürlichen Grenzen erreicht sind und das sich ein 74-jähriger Klaus Walz zur Ruhe setzen will. Sie sind ja da noch bedeutend jünger. Haben Sie sich denn um Ersatz bemüht, oder sind es bei Ihnen gesundheitliche Gründe, die Sie zur Aufgabe zwingen?
Die Fans sind mit uns gealtert, gerade diejenigen, die aus der alten Krautrockzeit um „jane“ stammen. Das hinterlässt einiges an Spuren. Etliche Freaks sind leider bereits verstorben, manche von diesen gehörten sogar zum Team der Band „jane“ im Bereich Merchandise vor Ort. Etliche Freunde sind schwer erkrankt, andere schaffen die strapazierende Anreise nicht mehr. Man darf nicht unterschätzen, dass rund ein Drittel aller Fans beim GKF der Fanbase von „jane“ zuzuordnen sind und die Band bekanntlich seit 2009 als Mitgastgeber fungiert, wenn man so will.
Eine Vererbung der Veranstaltung an befreundete Veranstalterkollegen ist nicht möglich?
Ich stehe in regelmäßigem Austausch mit Martin Koller aus Kalifornien, der seit Jahren das Prophecy Festival in der Balver Höhle organisiert. Hier ist quasi eine echte Veranstalterfreundschaft entstanden und eine Zusammenarbeit stand hier eigentlich auch fest im Raum. Dazu wäre es jedoch auch notwendig, Martin Koller, eine lukrative Bilanz für die Jahre 2023 – 2025 vorlegen zu können. Und diese ist bei den aktuellen hohen Ausgaben und rückläufigen Vorverkäufen kaum in Sicht. Zudem darf man nicht vergessen, dass die Ära um „jane“ auch eine Frage der Zeit ist, gerade aufgrund des Gesundheitszustandes von Klaus Walz, der auch Drahtzieher sowie Gitarrist der Band „jane“ ist und nicht nur mein Partner in unserer GbR.
Sie haben auch die Möglichkeit ins Spiel gebracht, mit anderem Konzept und einer anderen Veranstaltung in die Höhle zurückzukommen. Können Sie das konkretisieren, was Ihnen da vorschwebt?
Wenn die Band „jane“ nicht mehr an Bord ist, wird es schon schwerer, aus o. g. Gründen der Fanbase. Dennoch sind dort so viele Fanfreundschaften unter den Freaks entstanden und diese Rockfreunde würden sicherlich auch mit etwas anderem Konzept jährlich nach Balve anreisen. Was ich jedoch niemals machen würde, worauf andere Veranstalter allerdings erfolgreich setzen, ist die Verpflichtung etlicher Cover- oder Tributebands. Das war nie unser Ding, solange es so gute, teils völlig unbekannte Künstler in der Rockszene gibt. Das war immer unser Aushängeschild, möglichst Originale zu verpflichten, wenn es denn finanzierbar ist oder war. Und unsere Freaks lieben dieses Konzept, ein Mix aus eher bekannten alten und ggf. jüngeren jedoch unbekannteren Musikern. Gerade die Letztgenannten feierten Erfolge bei uns in der Höhle, wie man es niemals nicht für möglich gehalten hätte. Sie trumpften teilweise auf und stellten den eigentlichen Headliner des Abends oft in den Schatten. Das war schon extrem verblüffend, immer und immer wieder.
Herr Simm, 2009 waren Sie erstmal in Balve, heute sind Sie fast ein Wahl-Balver. Wie war das damals mit den sturen Sauerländern?
Sture Sauerländer? Die sind mir niemals begegnet, eher ganz im Gegenteil. Seit 2009 haben wir so unendlich viele herzliche Erfahrungen in Balve gemacht, das möchte ich gerne mal hier aufzählen. Beginnen wir mit der fantastischen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit unseren Vermietern, bekanntlich die Schützenbruderschaft in Balve, die immer riesig fair waren und uns freiwillig ihr Material wie Sitzbankgarnituren und Trenngitter zur Verfügung stellten. Die Mietpreise blieben für uns seit ca. 2019 immer auf dem gleichen Level, trotz erhöhter Nachfrage anderer Veranstalter. Die unglaubliche freundliche Kommunikation mit den Mitarbeitern des Rathauses Balve kann ich gar nicht oft genug loben! Was für ein Umgang mit Gästen wie uns, soviel Unterstützung, so viele offene Ohren, so viel Freundlichkeit, so etwas habe ich von Amtswegen noch nie anderorts erlebt. Die Freundschaft mit dem Festspielverein Balve, das ist und war unverzichtbar für uns und selbst jetzt, in aktuell schwieriger Situation 2025, helfen uns die Freunde des Vereines bei der Organisation im Hintergrund, obwohl sie ja aufgrund fehlender Manpower am 2. 8. 2025 unsere Gastronomie beim Festival nicht mehr leiten können. Die Hotels und Pensionen, wo wir und die Künstler untergebracht sind oder waren, Mensch was sind das für dufte Mitarbeiter und Besitzer, da ziehe ich alle meine Hüte mit einem fetten Danke. Die Feuerwehr in Balve, die sich immer freute unser Festival mit der Brandsicherheitswache zu begleiten und sich Backstage von unseren Damen jedes Jahr verwöhnen lässt. Was für eine klasse Truppe, immer ein nettes Wort für unser Team über und ein Lächeln im Gesicht. Die Mitarbeiter der Bäckerei Grote, immer bestens gelaunt und freundlich, wenn wir hunderte Brötchen alljährlich dort ordern. Thomas Jedowski und sein zuverlässiges Cateringteam, die uns ein jedes Jahr fantastische Speisen für die Künstler liefern, einfach sensationell gut. Ich könnte noch so viele freundliche Menschen mehr aufzählen, aber das würde nun den Rahmen der HÖNNE-ZEITUNG sprengen. Daher, wie war gerade noch die Frage nach „sturen Sauerländern“? Nein, die sind mir schlichtweg unbekannt, solche Menschen in Balve oder Umgebung!
Was war das schönste Erlebnis in ihrer 17-jährigen Balver Geschichte?
Ach herrje, was eine Frage, dazu fallen mir hunderte Beispiele ein, die sich in mein Rockerherz eingebrannt haben. z. B. August 2021. Wir erhielten von unseren tollen Vermietern die Erlaubnis, die Balver Höhle für wenige Stunden zu öffnen, um unter Coronabedingungen einige Fans zu empfangen, die wissentlich, auch ohne Festival, nach Balve anreisten, weil Ihnen einfach die jährliche herzliche Gemeinschaft fehlte. Es gab Freibier für diese ca. 50 Personen und die Band O´Phrenic verschenkte CDs und andere Dinge an diese treue Fanschaar.
Der gute Landrat, der rein zufällig mit dem Radl beim Festival 2024 vorbeikam. Er lauschte den Tönen von „jane“ draußen auf dem Gehweg und schwupps, war er mit der örtlichen Pressestelle in der Höhle, um ein wenig mit abzurocken.
All die unfassbar lieben Worte prominenter und weniger bekannter Künstler sowie die Worte der Fans, die unser gesamtes Team alljährlich so gelobt haben, das sind Dinge, die vergisst man einfach nicht und man ist sich daher sicher, vieles richtig gemacht zu haben in all den Jahren. Selbst jetzt gerade, beim Schreiben der Antworten für dieses Interview, laufen mir schon wieder Tränen über die faltigen Rockbacken. Wenn ich an all die fantastischen Freaks denke, dieses soziale, herzliche und friedliebende Miteinander, diese glücklichen Gesichter, in die man von der Bühne aus blickt, das wird mir oder uns gewaltig fehlen. Also hoffe ich auf ein Wiedersehen als Veranstalter in Balve, wenn man mich dann dort noch haben möchte!
Herr Simm, die HÖNNE-ZEITUNG wünscht Ihnen und Ihrem Team zur letzten Veranstaltung am 2. August eine ausverkaufte Balver Höhle. Und Sie wissen ja: „Niemals geht man so ganz!“
Das Interview führte
Roland Krahl per E-Mail.