Balve. Markus Grothe ist Leiter des Hegerings Balve. Als Jäger haben sich die Mitglieder des Hegerings dem Naturschutz verschrieben. In der Vergangenheit kam es in Balve immer wieder zur Sichtung von Nilgänsen (Titelfoto). Die schön anzusehenden Vögel gehören eigentlich nicht hierher und vertrieben in ihrer Aggressivität heimische Arten. Markus Grothe erklärt uns, was er über die sogenannten „Neozoen“ weiß und wie der Hegering zu den Einwandern steht.
„Als Neozoen werden Tierarten bezeichnet, die unter direkter oder indirekter Mitwirkung des Menschen in ein ihnen zuvor nicht zugängliches Faunengebiet gelangt sind und dort neue Populationen aufgebaut haben. Viele Arten, die mit oder ohne aktive Hilfe des Menschen in neue Regionen vordringen, breiten sich zuerst im Siedlungsbereich aus.
Im Umfeld der Häuser liefern höhere Temperaturen und ein gutes Nahrungsangebot vielfach ideale Voraussetzungen, um sich in der fremden Umgebung zu etablieren. So finden sich beispielsweise in Düsseldorf große Kolonien des Halsbandsittichs der ursprünglich südlich der Sahara beheimatet ist.
So weit muss man den Blick aber gar nicht schweifen lassen denn auch vor unserer Tür breiten sich tierische Neubürger aus.
Beispielsweise kann man Waschbär, Marderhund, Nil- und Kanadagans auch im heimischen Sauerland beobachten.
Was für den einen niedliche Tiere sind bedeutet für viele weitere wilde Bewohner der Natur die Anwesenheit von meist sehr anpassungsfähigen und anspruchslosen Feinden die unsere einheimische Artenvielfalt beschneiden.
Der putzige Waschbär, wegen seiner Fähigkeit Mülltonnen auf der Suche nach Nahrung zu öffnen und zu durchsuchen, auch Müllpanda genannt, ist einst aus hessischen Pelzfarmen ausgebrochen.
Der nachtaktive Kleinbär ist dank seines Daumens in der Lage Dinge zu umgreifen und zu halten. Dadurch ist er unseren heimischen Raubtierarten handwerklich deutlich überlegen.
Er klettert hervorragend und kann so Gelege und Jungvögel aus Nestern rauben und wird für erhebliche Verluste bei Fledermauspopulationen verantwortlich gemacht.
Der Marderhund hält ebenfalls Einzug ins Sauerland und bei einem Spaziergang am Sorpesee wird man auch mit großer Sicherheit Nil- und Kanadagänse entdecken können.
Der Nutria ist im Balver Gebiet noch nicht angekommen, richtet aber mit seinen Gängen erheblichen Schaden an Deichen und Dämmen an.
Eine Tierart wird als invasive Art eingestuft wenn sie durch ihre Ausbreitung die biologische Vielfalt, andere Tier- und Pflanzenarten und damit auch die heimischen Ökosysteme gefährdet.
So sind Waschbär, Marderhund, Nutria und Nilgans per EU-Verordnung als invasive Arten eingestuft worden.
Zu den invasiven Arten gibt es Steckbriefe mit empfohlenen Maßnahmen.
Bei der Nilgans setzt man auf Aufklärung um das füttern der Tiere und die dadurch entstehende überschwängliche Vermehrung zu vermeiden, die Bejagung hat einen niedrigeren Stellenwert, wird aber dennoch empfohlen.
Bei Waschbär, Marderhund und Nutria wird an erster Stelle die Populationskontrolle per Bejagung empfohlen.
Das geht so weit das in manchen Bundesländern Prämien für erlegte Nutrias gezahlt werden (Schwanzprämien).
Die invasiven Arten unterliegen meist dem Jagdrecht und sind somit auch für den heimischen Jäger jagdbar.
Da Waschbär und Marderhund zumeist nachtaktiv sind, bietet sich die Fallenjagd an, um die Population im Griff zu halten. Ansonsten bleibt nur die klassische Jagd vom Hochsitz.
Ob, wann und wie in einem Revier in den Bestand der invasiven Arten eingegriffen wird, muss jeder Jagdpächter für sein Revier selbst abwägen. Wichtig ist aber seine ursprüngliche Wildpopulation im Blick zu haben, um eingreifen zu können, bevor das heimische Wild vom Neuankömmling verdrängt worden ist.
Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt aber, dass es nahezu unmöglich ist eine einmal angesiedelte Population wieder in Gänze zu entnehmen.
Wir werden uns also mit Waschbär & Co anfreunden müssen.
Die Streckenlisten der letzten Jahre zeigen, dass sie längst bei uns angekommen sind, die Zahl der erlegten Tiere bewegt sich aber im niedrigen einstelligen Bereich.“
Die HÖNNE-ZEITUNG dankt Markus Grothe für seine Einschätzung.DP