entnommen der gedruckten Ausgabe der HÖNNE-ZEITUNG –
Balve. Wer in den letzten Monaten mal an einem Autohaus vorbeigefahren ist, kennt das Bild: Leere Parkplätze aller Orten. Engpässe in der Zulieferungskette und gestiegene Rohstoffpreise setzen die Autobauer unter Druck. Besonders der während der Coronakrise aufgekeimte Chipmangel realisiert sich derweil bei den heutzutage hochtechnisierten Fahrzeugen. Während vor Corona die Parkplätze noch voll standen und die Händler mit exklusiven Leasingkonditionen um die Kunden buhlten, muss man heute lange Wartezeiten in Kauf nehmen.
Diese sind sehr unterschiedlich, weiß Ina Pape-Nowak vom Autohaus Pape. „Grob kann man mit etwa einem halben Jahr rechnen, bei Dacia auch etwas schneller, solange es sich nicht um Allradfahrzeuge handelt.“
Dirk Hugenpoth vom Autohaus Bichmann wartet zwischen drei und zwölf Monaten auf einen Neuwagen. Häufig nähmen die Kunden Abstriche hin. Wer auf besondere Features verzichte, könne von kürzeren Lieferzeiten profitieren. Allerdings ist heute schwierig zu sagen, was denn „besonders“ ist.
Wer möchte beispielsweise heute noch seinen Rückfahrsensor missen? Generell habe sich das Kaufverhalten der Kunden verändert. Die Leute seien preissensibler geworden, was mit der Steigerung der Lebenshaltungskosten zusammenhänge. Auf die langen Lieferzeiten seien die Kunden mittlerweile eingestellt, daher schauten sie sich schon früher nach dem richtigen Fahrzeug um. Durch Internet und Co. seien die Leute auch informierter als früher. In der Regel komme der Kunde in den Laden und wisse bereits alles über Ausstattung, Preis oder technische Daten. Der Besuch im Autohaus sei dann dazu gedacht das Auto „zu erleben“.
Als Autohändler hat man sich offenbar darauf eingestellt. Man verkauft mit seiner Marke eine Art Lebensgefühl. Natürlich mache man im Gespräch mit dem Kunden noch die klassische Bedarfsanalyse, die auch manchmal noch zu einem Entscheidungswechsel führe. Die Hersteller würden daher seit Jahren eine hybride Lösung der Kundenwerbung fahren, indem sie einerseits alle Informationen online anbieten, aber gleichzeitig noch in den Niederlassungen dem Kunden das Fahrgefühl vermitteln.
Apropos Hybrid: Mild Hybrid, Voll Hybrid und Plug-In Hybrid seien bei den Kunden immer noch sehr hoch im Kurs, und das obwohl die staatliche Förderung gestrichen wurde. Die für E-Autos wurden hingegen zuletzt halbiert. Der staatliche Zuschuss liege aktuell bei 4500 Euro, plus 2.250 Euro Händleranteil, und soll Mitte des Jahres – zumindest für Gewerbekunden, die einen großen Teil der Neuwagenfahrer stellen werden wegfallen.
Aktuell sei die Nachfrage ein wenig zurückgegangen, da viele Käufe auf das letzte Jahr vorgezogen wurden. „Die Nachfrage ist aber immer noch bemerkenswert“, so Dirk Hugenpoth.
Die Leute seien verbrauchsbewusster geworden. Natürlich seien daher auch Elektro-Autos weiter gefragt. Die heutigen Reichweiten lägen für Vielfahrer bereits bei 470 Kilometern. Die verbauten Akkus ließen sich binnen 30 Minuten für 300 Kilometer aufladen.
Der Durchschnittsautofahrer mit seinen 30-60 Kilometern pro Tag sei aber auch mit einem kleinen Akku bedient. Die Ladeinfrastruktur biete noch Luft nach oben, berichtet Hugenpoth. In Balve sei man mittlerweile so weit, dass jeder Ortsteil mindestens eine öffentliche Ladesäule habe.
Ein weiterer Nebeneffekt der Lieferschwierigkeiten sei, dass sich neben dem Neuwagenmarkt auch der Gebrauchtwagenmarkt verändert habe. Weniger Neuwagenangebot bedeutet höhere Nachfrage bei den Gebrauchten, so die Formel. Daher seien auch hier die Märkte wie leergefegt.
Hinzu käme, dass die Leute ihre Autos heute wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit, die im ganzen Land mitschwinge, länger führen. Daher sei es besonders schwierig gute Gebrauchte für angemessene Preise zu bekommen.
Wie sich die Zukunft am Automarkt entwickelt weiß die Chefin des Balver Autohauses Pape natürlich auch nicht. Was aber für Innovationen möglich sind, können beide erahnen. Für Dirk Hugenpoth stehen Fahrzeuge mit Brennstoffzelle ganz oben auf der Innovationsliste, die allerdings vor allem für Nutzfahrzeuge infrage käme.
Das nächste „große Ding“ für Ina Pape-Nowak (Foto oben) seien die Assistenzsysteme, die einen das „autonome Fahren heute bereits spüren lassen“. Außerdem sei es wichtig Mobilität neu zu denken. Daher schaut die 33-jährige mit Zuversicht nach vorne: „Das alles wird sicherlich spannend zu erleben sein!“ DP